Beim Tanzen Ekstase erleben. Das ist gar nicht so leicht.

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Franziska Zoidl ist Journalistin und begeisterte Sportlerin. Das beeinflusst auch ihre Freizeitgestaltung.

Am Freitagabend tanzen gehen: Das ist für viele ein Fixpunkt nach einer langen Woche. Nüchtern, in bequemem Yoga-Outift, barfuß und mit einer Schlafbrille ausgerüstet machen das aber wohl nur die wenigsten. Bei Ecstatic Dance geht es darum, durch die Bewegung in einen meditativen Zustand zu gelangen. Der Trend kommt aus Hawaii, mittlerweile gibt es Angebote von New York bis Berlin. Auch in Wien: Im Yogaloft im 4. Bezirk wurde vor kurzem eine Einheit Ecstatic Dance angeboten.

Etwa 30 Männer und Frauen sind an einem Abend Anfang Mai im Wiener Yogaloft dabei. Sonja – dunkle, lange Locken, Leggings und Tanktop – ist heute zum ersten Mal hier. Sie tanzt gern, die "ganzen Besoffenen" in den Clubs interessieren sie aber nicht, "und für Discos fühle ich mich zu alt". Nun will sie es mit Ecstatic Dance probieren.

Ein junger Mann von der Warteliste rückt kurz vor dem Beginn der Einheit noch nach. Er hat Ecstatic Dance schon mehrmals ausprobiert. Warum? "Das Leben ist langweilig genug", antwortet ein anderer Mann, der sich an uns vorbei in den Yogaraum drängt. Der Raum ist dunkel, an den Wänden tanzen bunte Lichter, an einem Ende des Raumes ist ein DJ-Set aufgebaut. Um 20 Uhr geht es los.

Tanzen mit Schlafbrille

Wir setzen uns im Schneidersitz nieder. "Warum ist es hier so heiß?", fragt der Mann von der Warteliste. Weil hier sonst bei 40 Grad Hot Yoga praktiziert wird. "Und so fühlt man sich wie auf Bali", sagt die Besitzerin des Yogastudios, Sabine Utz.

Der Abend beginnt mit einer Meditation. Dafür setzen wir uns die Schlafbrillen auf. Die Musik beginnt. Mir schlafen die Füße ein. Dann stehen wir endlich auf. Die Schlafbrillen sollen wir auch beim Tanzen aufbehalten. Die Musik wird nun lauter und schneller. Jeder soll sich bewegen, wie er oder sie will. Es gibt keine Schrittfolgen und keine Anleitung. Ich stehe erst einmal ratlos da. Gar nicht so leicht, sich zu bewegen, wenn man sich an den anderen auf der Tanzfläche nicht orientieren kann. Und bin ich die Einzige, die so ahnungslos ist? Beobachtet mich gerade irgendwer und lacht über mich?

Am unteren Rand meiner Schlafbrille kann ich aber immerhin einen Blick auf die Füße der Umstehenden erhaschen. Sie wippen erst einmal nur auf und ab. Das mache ich auch. Wie beim Sport wärmen wir uns nun langsam auf: Die Musik wird schneller, wir bewegen uns nun mehr, jetzt kommen auch die Arme zum Einsatz. Das weiß ich, weil ich gleich mehrmals mit Umstehenden kollidiere.

Nicht miteinander sprechen

Das passiert immer total unvermittelt, ist zwar harmlos – jagt einem aber kurzfristig einen Schrecken ein. Ich gehe ein paar Schritte in die andere Richtung – und hoffe, dass ich da nicht schon wieder mit wem zusammenstoße.

Was bei Ecstatic Dance wichtig ist: Beim Tanzen darf man nicht miteinander sprechen. Auch das Handy ist verboten. Gedanken, die auftauchen, sollen wir nicht bewerten, wurde uns eingeschärft. Ich denke an diesen Artikel, an die Arbeit, an mein Abendessen – versuche aber, die Gedanken schnell wieder loszulassen und mich weiter zu bewegen. Ich verliere mein Zeitgefühl. Wie lange wir wohl schon so tanzen? Ekstase verspüre ich aber keine, im Gegenteil: Isoliert unter vielen fremden Menschen fühle ich mich nicht nur einsam, sondern auch völlig desorientiert.

Irgendwann wird die Musik plötzlich merklich ruhiger. Wir legen uns da, wo wir stehen, auf den Boden. Jetzt kommt noch eine Entspannungseinheit. Und dann dürfen wir endlich die Schlafbrillen abnehmen. Ich bin überrascht, wo im Raum ich mich befinde. Ich hätte mich am anderen Ende vermutet.

Ekstase erleben

"Die Energie ist jedes Mal anders", berichtet Yogaloft-Besitzerin Utz später. "Heute hat sich extrem viel in eine einzige Ecke des Raumes verlagert", sagt sie. Gestört hat sie, dass einige ihre Schlafbrillen abgenommen haben und sich an den Rand der Tanzfläche gesetzt haben.

Den meisten scheint es aber gefallen zu haben. "Wir sind seit einem Jahr immer wieder bei solchen Events", erzählt ein junges Paar, beide mit gerötetem Gesicht. "Bei mir ist heute viel hochgekommen", erzählt die Frau. "Aber ich bin dann immer wieder reingekippt." Wahrscheinlich, so meinen sie, muss man die Ekstase beim Tanzen erst lernen. Sonja, die heute zum ersten Mal dabei war, hat es auf jeden Fall gefallen. Ihre Brillengläser sind beim Verlassen des Yogaraumes noch beschlagen, so sehr hat sie geschwitzt.

Fazit: Die Ekstase habe ich auf der Tanzfläche nicht erlebt, dafür aber an einem ganz normalen Freitagabend eine außergewöhnliche Erfahrung gemacht. (Franziska Zoidl, 26.5.2019)