NGOs warnen vor Lobbyisten, die an Aufweichung der EU-Wasserrahmenrichtlinie arbeiten.

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Die Umweltschutzorganisationen haben die Wünsche der Industrien und Mitgliedsstaaten analysiert und dabei einige Parallelen entdeckt.

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Wien – Seit Montag findet in Bukarest ein informelles Treffen der EU-Umweltminister statt. Thema ist dabei auch der laufende "Fitnesscheck" der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Diese wurde im Jahr 2000 erlassen, um die europäische Wasserpolitik zu vereinheitlichen. Ziel der Richtlinie ist es, die Gewässer des Kontinents bis spätestens 2027 in einen "guten ökologischen und chemischen Zustand" zu bringen.

Ein hehres, aber immer noch fernes Ziel. Denn laut einem Bericht der europäischen Umweltagentur erfüllten im Überwachungszeitraum 2010 bis 2015 nur 40 Prozent der Seen, Flüsse, Mündungsgebiete und Küstengebiete diese Mindestanforderung. EU-Umweltkommissar Karmenu Vella kommentierte den Bericht damals so: "Dank der Umsetzung der europäischen Rechtsvorschriften verbessert sich die Qualität der Binnengewässer allmählich, aber es muss noch viel mehr getan werden." Vella verwies vor allem auf die Notwendigkeit, weitere Verschmutzungen durch Landwirtschaft und Industrie zu verhindern.

Bürger fordern Beibehaltung

Doch genau aus dieser Ecke kommen nun offenbar Wünsche, die Wasserrahmenrichtlinie aufzuweichen. Diese wird daher aktuell einem sogenannten "Fitnesscheck" durch die Kommission unterzogen. Im Zuge dessen soll festgestellt werden, ob sie noch "fit for purpose" ist, also noch zeitgemäß. Mehr als 375.000 EU-Bürger haben im Laufe des Fitnesschecks bereits ihren Wunsch nach einer Beibehaltung und Stärkung der Richtlinie deponiert. Aber auch Stakeholder aus der Industrie waren aufgerufen, ihre Meinung einzubringen.

Ein Verbund europäischer Umweltschutzorganisationen, darunter der WWF, hat sich genauer angesehen, wer aus welchem Grund eine Aufweichung begehrt. Und das Ergebnis ihres Berichts zeigt, dass es die chemische Industrie, die Landwirtschaft, die Energiewirtschaft und der Bergbau sind, die sich mittels Lobbying dafür einsetzen, Lockerungen der gesetzlichen Bestimmungen in ihrem Sinne zu erreichen.

Konkrete Forderungen der Industrie

Konkret betreffen diese Wünsche vor allem das Verschlechterungsverbot, also dass keine Maßnahmen gesetzt werden dürfen, die den Zustand der Gewässer auch nur punktuell verschlechtern. Oder auch das sogenannte One-out-all-out-Prinzip, demzufolge ein Gewässer nur dann als gesund gilt, wenn es alle dafür notwendigen Qualitätskriterien erfüllt. Bergbauunternehmen und Bauernverbände sprachen sich etwa genau dagegen aus. Die Wasserkraftindustrie will wiederum Lockerungen, was das Verschlechterungsverbot angeht.

Interessant an der Analyse der Umweltverbände zu den Lockerungswünschen sind die Parallelen zwischen den Forderungen einzelner Mitgliedsstaaten und jenen der Industrie. Dazu erklärt Sebastian Meyer von der NGO Lobby Control: "Auf Kommissionsebene gibt es viel mehr Transparenz als auf nationaler Ebene." Daher würden Lobbyisten oft dort ansetzen, wo sie direkt auf die Politik einwirken können.

Hinter den Aufweichungswünschen stehen wiederum die mächtigsten Lobbys der EU, wie Meyer erklärt: "Die chemische Industrie ist nach Zahlen der mit Abstand größte Player."

Ministerin Köstinger sei nun gefordert

Daher warnen in Österreich WWF und Umweltdachverband vor einer Zustimmung zu Lockerungen bei der Wasserrahmenrichtlinie. Die Verzögerungen bei der Umsetzung würden vielmehr eine Verschärfung und Stärkung nahelegen. "Es hat Jahrzehnte gedauert, um die Giftstoffe aus unseren Flüssen zu entfernen. Niemand möchte zurück in diese Zeiten", sagt WWF-Expertin Bettina Urbanek.

Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) sei nun gefordert, sich auf europäischer Ebene dafür starkzumachen. Denn im kommenden Herbst wird die bis dahin neue EU-Kommission entscheiden, ob die geltende Wasserrahmenrichtlinie noch fit genug ist. (Steffen Arora, 22.5.2019)