Dem politischen Herzen der Republik, dem Nationalrat, stehen unruhige Zeiten bevor. Das kommende freie Spiel der Kräfte bis zu der nach Koalitionsbruch und Regierungskrise angesetzten Neuwahl im September weckt unter budgetbewussten Beobachtern böse Erinnerungen an die teuren Monate vor dem bundesweiten Urnengang im Jahr 2008.

Ähnliches wiederholte sich 2017. Allein bei ihrer letzten Sitzung fassten die um Wählerstimmen buhlenden Nationalratsabgeordneten Beschlüsse, die 650 Millionen Euro kosteten. An diesem einen Tag wurden zum Beispiel niedrige Pensionen erhöht, die Mietvertragsgebühr wurde abgeschafft, und für Friedens- und Sozialdienst sowie für den Ausbau der Kinderbetreuung gab es mehr Geld.

Teure Wahlzuckerl

Doch auch abseits der tief ins Börsl gehenden Maßnahmen kam es an diesem Tag zu Beschlüssen. Gegen die Stimmen der ÖVP und der Neos glichen etwa SPÖ, FPÖ und Grüne die Rechte von Arbeitern jenen von Angestellten an. Davor, unter Rot-Schwarz, wäre das unmöglich gewesen. Die Neuerung erwies sich als haltbar. Sie gilt bis heute.

Genau in solchen Allianzen, mit denen koalitionsbedingte Beschränkungen überwunden werden, liegen die Chancen des parlamentarischen Freispiels. Beschlüsse, die sinnvoll und vernünftig erscheinen, die aber in Zeiten geltender Parteienabkommen illusorisch sind, rücken in greifbare Nähe. Umgekehrt lässt sich auch mancher Fehlentscheid leichter korrigieren.

Klarheit darüber, welche Partei wo steht

Auf den künftigen Nationalrat übertragen heißt das zum Beispiel: Was wird die ÖVP nun in Sachen Totalrauchverbot in der Gastronomie tun, auf das sie aus türkis-blauer Koalitionsraison wider besseres Wissen verzichtet hat? Wird sie gegebenenfalls Bereitschaft zeigen, gemeinsam mit anderen Fraktionen gegen die FPÖ stimmen? Bei den höchst umstrittenen Sicherungshaftplänen für gefährliche Asylwerber wiederum, die vom blauen Koalitionspartner ausgingen, wäre ein dezidierter Verzicht möglich. Menschenrechtlich wäre das ein wichtiges Signal.

Zwar sollten diese Möglichkeiten nicht über die Nachteile hinwegtäuschen, die Übergangszeiten mit innerparlamentarischer Ungebundenheit innewohnen. Man denke etwa an jene Teile der Steuerreform, die Arbeitnehmer entlasten sollten – und sich nun verzögern könnten. Doch die Freiheit im Nationalrat hat eine gute Seite: Sie schafft mehr Klarheit darüber, welche Partei wo steht. (Irene Brickner, 21.5.2019)