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Aktuelle Geräte wie das Huawei P30 sollen vorerst weiter Updates erhalten – zumindest für Sicherheitsprobleme. Für neue Geräte sieht es derzeit hingegen düster aus.

Foto: Ren Onuma / AP

Seit Tagen hält ein Thema die Smartphone-Welt im Bann: Der derzeit zweitgrößte Smartphone-Hersteller der Welt hat seine Android-Lizenz und damit auch den Zugang zu Googles Play Store verloren. Dem war eine Anordnung des US-Handelsministeriums vorangegangen, die US-Unternehmen jegliche Zusammenarbeit mit Huawei verbietet. Seitdem wurden die Maßnahmen zwar für bestehende Geräte leicht gelockert, um eine Übergangsphase zu ermöglichen. Für neue Modelle steht der chinesische Hardwarehersteller nun aber vor einem Scherbenhaufen.

Alles wird gut?

Bei Huawei scheint man mittlerweile aber seinen PR-Spin gefunden zu haben, der vor allem eines aussagen soll: Alles wird gut. Einerseits arbeite man mit Google eng zusammen, um eine für die eigenen Smartphone-Käufer möglichst unproblematische Lösung zu finden. Vor allem aber habe man unter dem Namen "Hongmeng" bereits in den vergangenen Jahren ein eigenes Betriebssystem entwickelt, das Android bald ablösen könne. Da dieses auch kompatibel mit Android-Apps sei, würden für die Nutzer keine Nachteile entstehen.

Eine Aussage, die aber bei näherer Betrachtung bestenfalls Wunschdenken ist. Denn selbst wenn man der Aussage, dass ein solches System bereits in einem halben Jahr ausgeliefert werden könnte, Glauben schenkt – es gibt auch Berichte, die das anhand interner Informationen grob in Zweifel ziehen –, so ist es damit längst nicht getan. Die aktuelle Situation ist für Huawei wesentlich schwieriger, als man nach außen zugeben will. Zumindest kurzfristig erscheint es komplett unrealistisch, dass man mit Smartphones ohne Zugang zu irgendwelchen US-Technologien – jenseits des chinesischen Heimatmarkts – erfolgreich sein kann.

Hardware: Unklar

Zunächst zu den guten Nachrichten: Auf der Hardwareseite sieht es für Huawei sehr gut aus. Über die Tochterfirma Hisilicon stellt Huawei mittlerweile zahlreiche der in einem Smartphone genutzten Komponenten selbst her. Allen voran die Prozessoren der Kirin-Serie, aber auch Modems für LTE- oder auch 5G-Support baut das Unternehmen selbst. Bildschirme kauft man üblicherweise bei Firmen wie Samsung, LG oder auch zunehmend chinesischen Herstellern zu. Kamerasensoren stammen entweder von lokalen Partnern oder von Sony. Also allesamt aus der Perspektive des US-Handelsbanns unproblematisch. Die einzige relevante Ausnahme bildet die US-Firma Micron Technology, die für einzelne Geräte die Chips für RAM oder den lokalen Speicherplatz liefert. Hier gibt es aber zahlreiche Alternativen.

Das einzige Restrisiko stellt die Basis der Huawei-Chips dar. Immerhin verwenden alle Smartphone-Prozessoren die ARM-Architektur. Die dahinterstehende Firma steht zwar mittlerweile im Besitz der japanischen Firma Softbank, trotzdem sind hier viele US-Technologien und -Patente enthalten. Derzeit ist noch unklar, ob die Anordnung des US-Handelsministeriums so weit ausgelegt werden muss, dass diese Punkte problematisch werden.

Freeze

Bei ARM prüft man diese Frage gerade und hat sich unterdessen zu einem für den chinesischen Partner sehr unerfreulichen Schritt entschlossen: Sämtliche Kooperationen wurden vorerst auf Eis gelegt. Das bedeutet, dass Huawei vorerst ohne Lizenz für die Herstellung neuer Prozessoren dasteht. Vorerst dürfte man hier wohl noch genügend vorproduziert Chips haben, bleibt die Sperre aber langfristig aufrecht, wäre dies zumindest das Ende aktueller Chipserien – und des Zugriffs auf die ARM-Architektur als Ganzes.

Betriebssystem: Zweifelhaft

Die wahren Probleme beginnen für Huawei bei der Software. "Wir haben ohnehin ein eigenes Betriebssystem" ist eine nette Aussage, die in PR-Mitteilungen gut klingt, in der Praxis ist es damit aber längst nicht getan. Ein Betriebssystem zu haben, und eines, das mit aktuellen Android-Smartphone-Geräten mit Google-Diensten zu haben, ist ein riesiger Unterschied, und zwar einer, der zwischen Erfolg und Ladenhüter unterscheidet. Huawei versichert entsprechend, dass sein System mit Android-Kompatibilität ausgestattet sein soll, wodurch bestehende Apps weiterverwendet werden können. Genau diese Behauptung ist aber weit von der Realität entfernt.

Beginnen wir beim Grundlegenden: An "Android-kompatiblen" Systemen haben sich schon andere Hersteller versucht – darunter etwa Blackberry –, und sie sind allesamt gescheitert. Und zwar aus guten Gründen: Ein solches System ist immer eine Art zweitklassiges Android. Die Integration mit dem restlichen System ist immer etwas schlechter, und der Hersteller ist dauernd damit beschäftigt, Problemen, die durch Änderungen in Android oder auch bei einzelnen Apps entstehen, nachzuarbeiten. Nicht zuletzt, da die App-Entwickler nun einmal vor allem auf Googles Welt konzentriert sind.

Es wird schwieriger ...

Das nächste Problem: Der US-Bann bedeutet auch, dass man den Zugriff auf unter Android vielgenutzte Infrastrukturdienste wie die Google Play Services verliert. Ohne diese laufen aber zahlreiche Apps nicht. Also müsste Huawei hier nicht nur selbst Alternativen entwickeln – das ist der einfache Teil –, sondern auch die App-Entwickler dazu bringen, entsprechend angepasste Varianten ihrer Programme zu entwickeln. Das ist aber zumindest kurzfristig kaum realistisch, und auch auf Perspektive ist das Interesse von App-Entwicklern an etwas, das ihren Wartungsaufwand deutlich erhöht, eher zweifelhaft. Am Rande sei erwähnt, dass es mit Micro-G-Nachbildungen der Play Services gibt, die in der Android-Firmware-Community genutzt werden. Dass ein großer Hersteller so etwas übernimmt, scheint aber schon allein aufgrund der damit einhergehenden rechtlichen Probleme zweifelhaft – und würde wohl auch dazu führen, dass Google den Zugriff blockiert.

Apps: Unüberwindbar

Zusätzlich müsste Huawei natürlich einen Ersatz für den Play Store entwickeln. Da ergibt es sich gut, dass das Unternehmen schon seit längerem einen eigenen App Store betreibt. Diesen müsste man also nur erweitern. Genau hier liegt aber das Kernproblem. Der Handelsbann ist nämlich so weit ausgelegt, dass er wohl auch App-Hersteller treffen würde. Das würde bedeuten, dass in den USA angesiedelte Firmen oder Personen ihre Apps nicht in einem Store von Huawei anbieten dürfen. Und das wäre wohl der Todesstoß für jedes in Europa oder den meisten anderen Märkten jenseits von China verkaufte Smartphone.

Nur um das zu verdeutlichen: Das hätte zur Folge, dass es auf solch einem Gerät nicht nur keine Google-Dienste gibt – also von Youtube über Google Maps bis zu Gmail –, es würden auch praktisch all anderen derzeit weltweit populärsten Apps fehlen. Das beinhaltet Facebook (samt Whatsapp und Instagram) sowie Netflix oder auch Snapchat. Während schon allein der Umstieg auf ein anderes System Huawei sicher massiv Marktanteile kosten würde, dürfte ein Verzicht auf all diese Apps unüberwindbar sein. Und um das auch anzumerken: Natürlich könnten sich die Nutzer all diese Apps aus irgendwelchen Drittquellen selbst besorgen, für die breite Masse der Smartphone-Käufer stellt dies aber keine auch nur ansatzweise realistische Lösung dar.

Es gibt nur eine Lösung

Was heißt das für Huawei? In Wirklichkeit gibt es für das chinesische Unternehmen derzeit nur eine einzige taugliche Lösung: auf die Beilegung des Streits mit der US-Regierung zu hoffen, sonst wird das eigene Smartphone-Geschäft massiven Schaden nehmen. Und zwar in einem Ausmaß, das den Herstellern zumindest außerhalb Chinas in der Bedeutungslosigkeit versinken lassen könnte.

Langfristig wird die Lehre aber wohl eine andere sein – und das gilt längst nicht nur ffür Huawei. Der aktuelle Vorfall zeigt, wie abhängig selbst chinesische Hersteller von US-amerikanischen Technologien und somit der Politik des Landes sind. Insofern dürfte wohl derzeit bei einigen Firmen eifrig überlegt werden, wie man diese Abhängigkeit reduzieren oder gar ganz beseitigen kann, um selbst nie in eine ähnliche Situation zu kommen. (Andreas Proschofsky, 22.5.2019)