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London – Die britische Premierministerin Theresa May beißt auch mit ihrem neuen Vorschlag zur Lösung der Brexit-Blockade auf Granit. Nur wenige Stunden nachdem sie ihre Gegner mit Zugeständnissen umzustimmen versuchte, zeichnete sich ab, dass auch der jüngste Anlauf zum Scheitern verdammt ist. Sowohl aus der Opposition als auch aus den Reihen von Mays Konservativer Partei kam erbitterter Widerstand.

"Das ist viel zu schwach", sagte Labours Brexit-Sprecher Kier Starer am Mittwoch. "Die Premierministerin würde gut daran tun, einfach ihre Niederlage einzugestehen." Der Brexit-Verfechter Boris Johnson, einer der schärfsten innerparteilichen Kritiker Mays und zugleich aussichtsreicher Anwärter auf ihre Nachfolge, sagte, er werde nicht für den Vorschlag stimmen. "Wir können und müssen das besser machen." Hinter den Kulissen betrieben mehrere Konservative Medienberichten zufolge Vorbereitungen, um May zu stürzen.

Handel und zweites Referendum

May hatte am Dienstag versucht, ihre Kritiker umzustimmen. Sie stellte einen Gesetzesentwurf vor, der unter anderem engere Handelsbeziehungen zur EU nach dem Abschied aus der Staatengemeinschaft vorsieht sowie die Möglichkeit eines weiteren Referendums, diesmal über den Brexit-Vertrag und nicht wie Mitte 2016 über den Austritt an sich. Damit wollte sie insbesondere Labour für sich gewinnen, auf deren Stimmen sie im Parlament angesichts vieler Abweichler in der eigenen Partei angewiesen ist.

May hat mit der EU im November einen Brexit-Vertrag ausgehandelt. Dieser wurde jedoch vom Parlament dreimal abgelehnt. Einen vierten Anlauf im Unterhaus will May im Juni unternehmen. Die Frist für den EU-Austritt ist derzeit der 31. Oktober.

Corbyn bleibt hart

In einem auf Dienstag datierten Brief an Labour-Chef Jeremy Corbyn warb May eindringlich um dessen Unterstützung. Sie habe gezeigt, dass sie zu Kompromissen bereit sei. Nun solle auch Corbyn sich bewegen. Der Gesetzesentwurf zur Umsetzung des Brexit sei "unsere letzte Chance". Corbyn hatte jedoch bereits im Vorfeld erklärt, seine Partei könne nicht für das Gesetz stimmen, da dieses größtenteils nur die Position der Regierung aufwärme. Labours Brexit-Sprecher Starer bekräftigte das am Mittwoch. Der Entwurf enthalte nichts wirklich Neues. Mays Vorstellungen gingen "klar in die falsche Richtung". Sie sollte darum erklären, dass sie ihre Pläne dem Parlament doch nicht zur Abstimmung vorlegen werde.

In Teilen der Konservativen Partei verschärfte sich offenbar die Kritik an May. Die BBC berichtete, der Unmut sei inzwischen so groß, dass einige Tories mit einem neuen Vorstoß begonnen hätten, die Regierungschefin rasch aus dem Amt zu jagen, damit sie keine Chance habe, ihren Brexit-Plan im Unterhaus zur Abstimmung zu stellen. Die Zeitung "The Sun" zitierte den Abgeordneten Nigel Evans mit den Worten, er werde einen neuen Anlauf unternehmen, um in der Partei die Vertrauensfrage stellen zu können. May hat erklärt, dass sie den Weg frei machen will für die Wahl eines Nachfolgers, sobald das Parlament im Juni ein viertes und letztes Mal über ihren Brexit-Kurs abgestimmt hat. (APA, Reuters, 22.5.2019)