Redet nicht viel: Brad Pitt als Stuntman Cliff Booth in Quentin Tarantinos Film "Once Upon a Time in … Hollywood".

Foto: Quentin Tarantino

Das Firmenlogo von Columbia flackerte kurz doppelt auf der Leinwand auf. Ein minimaler Störmoment, der allen vertraut ist, die mit analogem Kino groß geworden sind. Er passte hervorragend zu diesem so ungeduldig erwarteten Film: Natürlich wurde Quentin Tarantinos Once Upon a Time in … Hollywood bei seiner Weltpremiere in Cannes als 35-mm-Kopie projiziert. Und man muss kein Nostalgiker sein, um solche Liebe zum Material wertzuschätzen. Ein Film über Hollywood im Jahre 1969 muss schließlich visuell überzeugen. Er muss in Vintagefarben strahlen.

Sony Pictures Entertainment

Was man inhaltlich zu sehen bekommen wird, war allerdings streng geheim – und soll es weiterhin bleiben. Als man vor dem Film die Filmkritik darauf hinwies, bitte nicht zu spoilern, wurde gebuht. Viel war darüber spekuliert worden, auf welche Wegen sich der Regisseur in seinem neunten Film den Morden von Charles Manson, vor allem dem bestialischen an Schauspielerin Sharon Tate, der Frau von Roman Polański, widmen würde.

Diese Frage beschäftigt einen auch noch im Film. Dieser nähert sich dem Verbrechen nämlich über erzählerische Tangenten an. Eine davon gehört Sharon Tate (Margot Robbie) selbst, die man etwa bei einem Kinobesuch von The Wrecking Crew begleitet, in dem sie selbst mitgewirkt hat. Tarantino inszeniert sie als sonnig strahlendes Wesen, das seine Freude an den Reaktionen des Publikums hat. Und er würdigt sie mit einem seiner beliebten Fetisch-Shots nackter Frauenfüße, von denen es noch ein paar weitere gibt.

Der B-Held und sein Helfer

Zentraler ist jedoch der Plot um den B-Movie- und Westernseriendarsteller Rick Dalton (Leonardo DiCaprio) und seinen Stuntman Cliff Booth (Brad Pitt), der als Daltons Fahrer, Freund und Beschützer im Einsatz ist. Anders als in seinen episodischen Filmen der jüngeren Zeit fädelt Tarantino hier die Szenen lockerer, luftig, ja fast unkonzentriert aneinander. Das verleiht dem Film eine entspannte, eher zerstreute Gangart.

Man folgt dem großtuerischen Dalton, der sich in einer weinerlichen Phase seiner Karriere befindet, zu ausgiebig inszenierten Fernsehdrehs. Dort zerfleischt er sich dann selbst, weil er sich seine Dialogzeilen nicht mehr richtig merkt. Am liebsten sitzt man allerdings auf dem Beifahrersitz von Cliff oder sieht ihm dabei zu, wie er auf Dächern mit nackter Brust Antennen repariert und einmal Bruce Lee vermöbelt. Brad Pitt sagt in diesem Film wenig, agiert aber ungemein fokussiert. Man kann richtig mitfühlen, dass Tarantino an der Coolness seine helle Freude hatte.

Wendepunkte einer Ära lassen sich immer erst im Nachhinein bestimmen. Den Film Once Upon a Time in … Hollywood durchströmt in seinen Bildern die Nostalgie eines Los Angeles’ klassischer Cocktailbars und Art-déco-Kinos, und er zelebriert die Marotten einer Filmindustrie, in der sich noch Nischen für stilistische Wagnisse fanden.

Düstere Hippiekultur

Fast möchte man sagen: Tarantino gibt sich endlich gereifter. Er beweist Sensibilität für das Gefühl eines nahen Endes, das Umkippen der friedvollen Hippiekultur ins düstere Gegenteil. Ein Besuch der Spahn Movie Ranch, wo sich Mansons Truppe einquartiert hat, wird dahingehend zu einem der Höhepunkte des Films. Ein Omen für die in der Luft liegende Gewalt, welches Tarantino wie ein Echo auf einen Western inszeniert. Einmal mehr ist das Kino die Schule für das Leben; und einmal mehr auch der Ort, an dem man die Geschichte mit filmischen Mitteln nach eigenen Vorlieben umformulieren kann.

Den größeren Crowdpleaser des Festivals lieferte allerdings der Koreaner Bong Joon-ho (The Host). Parasite erzählt die Geschichte einer Unterschichtsfamilie, die sich in die vornehme Villa und damit in das Leben einer Familie am oberen Ende der Gesellschaft einschleust – zuerst die Kinder als Lehrende, dann die Eltern als Chauffeur und Hausbesorgerin.

Sinnbild der Zerrissenheit

Mit sarkastischem Humor und abenteuerlichen Volten nicht eben sparsam durchsetzt, wirkt Bong Joon-hos Film wie eine groteske Variation des US-Horrorfilms Us. Der Gegensatz zweier Familien gerät auch hier zum Sinnbild einer zerrissenen Gesellschaft, bloß dass Parasite mehr wie ein effizientes Kammerspiel operiert. Und in der Tat: Mehr Szenenapplaus gab es noch bei keinem Film in Cannes. (Dominik Kamalzadeh, 23.5.2019)