Schon vor ihrer Angelobung Mittwochmittag galten die vier mit Ministerwürden ausgestatteten Experten als bestens präpariert – vor allem im Sinne türkiser Message-Control. Sowohl in der FPÖ als auch in der SPÖ kursierten Gerüchte, dass Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal das Quartett bereits darauf eingeschworen habe, was bei ihren Statements künftig an die Öffentlichkeit darf – und was nicht. Dabei sei Valerie Hackl, Johann Luif, Eckart Ratz und Walter Pöltner auch gleich bedeutet worden, mit welchen Kabinettsmitarbeitern sie es zu tun haben.

Vier Experten und zwei Vertrauensleute von Kanzler Kurz wurden von Bundespräsident Van der Bellen angelobt: Finanzminister Hartwig Löger macht interimistisch den Vizekanzler. Familien-, Frauen- sowie Jugendministerin Juliane Bogner-Strauß bekommt noch die Agenden Beamte und Sport dazu.
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Launsky-Tieffenthal selbst sagt zum STANDARD: "Es gibt einen gewissen Austausch, eine Koordination." Von etwaigen Sprachregelungen will der Regierungssprecher nichts wissen.

Fest steht, dass die anderen Parteien angesichts des raschen Regierungsumbaus von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nach Auffliegen des blauen Ibiza-Gate alarmiert sind: Die SPÖ argwöhnt, dass er sich quasi "eine ÖVP-Alleinregierung" zusammengebaut habe, wie es Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda ausdrückt. Die FPÖ vermutet nach Niederlegung ihrer Ministerämter, dass Kurz' Devise bis zur Neuwahl "Blau raus, Türkis rein!" lautet.

Tatsächlich hat Kurz seit dem Abtritt von Vizekanzler Heinz-Christian Strache vor allem in ständiger Abstimmung mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Windeseile die blaue Regierungshälfte ersetzt. Die vakanten Agenden von Strache wurden kurzerhand unter ÖVP-Ministern aufgeteilt: Finanzminister Hartwig Löger übernahm interimistisch den Vizekanzler und die Familien-, Frauen- sowie Jugendministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) auch noch die Agenden Beamte und Sport.

Türkiser Personaltransfer

Dazu wird den Neulingen in der Übergangsregierung türkises Personal in die Kabinette gesetzt: Eva Landrichtinger, bisher im Büro von Kurz, soll als Kabinettschefin zu Sozialminister Walter Pöltner wechseln. Helmut Brandl, bisher Klubreferent in der ÖVP, soll für Neoverteidigungsminister Luif das Kabinett leiten. Auch zwei Mitarbeiter aus dem türkis geführten Digitalisierungsministerium steigen wohl zu Kabinettschefs auf: Stephan Wiener soll Innenminister Ratz zur Seite stehen, Martin Humer Infrastrukturministerin Hackl.

Bei der Angelobung um 13 Uhr war man nach dem Regierungschaos der letzten Tage bemüht, Gelassenheit zu vermitteln. Routiniert spulte Bundespräsident Alexander Van der Bellen erneut die Entwicklung vom "bizarren" Ibiza-Video bis zur Bestellung der neuen Ressortchefs herunter. Beinahe wollte er auch dem Kanzler erneut die Gelöbnisformel abnehmen – ein Hoppala, das er aber sogleich bemerkte. Danach sprach VdB von einer Phase des Übergangs – dazu brauche es das laufende Gespräch, ein Aufeinander-Zugehen, den Aufbau von Vertrauen und die Bereitschaft zum Kompromiss.

Denn hinter den Kulissen, vor allem auch hinter der roten Tapetentür in der Hofburg, gärt es: Kommt es hart auf hart, ist Kurz' Minderheitsregierung mit Experten nicht lange im Amt – weil der Kanzler selbst schon am Montag nach der EU-Wahl bei der Sondersitzung im Nationalrat von der Opposition per Misstrauensvotum gestürzt werden könnte. Konkret will die Liste Jetzt einen entsprechenden Antrag einbringen. FPÖ und SPÖ überlegen noch, ob auch sie Kurz mit diesem Instrument zu Fall bringen wollen. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sparte aber am Mittwoch nach einem Gespräch mit dem Regierungschef nicht mit Kritik. Kurz hätte sich in der Krise um eine stabile Mehrheit im Parlament bemühen müssen: "Das ist nicht geschehen." Die Neos wollen den Misstrauensantrag nicht unterstützen.

Segen der Bischöfe

Kanzler Kurz selbst ließ sich bei seinen Auftritten bisher nicht allzu viel anmerken, auch bei der Angelobung am Mittwoch wirkte er nach fünf Tagen Dauerkrise weder nervös noch abgekämpft.

Mit gutem Grund: Als Staatsoberhaupt nahm Van der Bellen im Sinne der Stabilität alle "Verantwortungsträger" in die Pflicht, daran zu denken, was sie in der aktuellen Lage für Österreich und nicht für die Wahl tun können – was auch als Mahnung an die Spitzen der Oppositionsparteien gewertet werden konnte, sich das mit dem Misstrauensvotum gegen Kurz genau zu überlegen.

Damit nicht genug, erhielt der Kanzler zur Wochenmitte auch noch Unterstützung von geistlicher Seite: Die römisch-katholische Bischofskonferenz warnte vor einem Misstrauensantrag gegen ihn, ohne dies explizit zu benennen. Konkret appellierten Kardinal Christoph Schönborn und Salzburgs Erzbischof Franz Lackner an die politischen Vertreter, über die Parteigrenzen hinweg gemeinsam zu agieren, damit alle staatstragenden Institutionen des Landes weiterhin handlungsfähig bleiben.

Wisch und weg

Der Kanzler selbst nützte Tag fünf nach Publikwerden des Ibiza-Videos, um wie gewohnt mittwochs einen Ministerrat abzuhalten – nur eben mit seinem Team. Beim Pressefoyer, wo Fragen zugelassen waren, wischte Kurz die jüngsten Einwände der Opposition gekonnt vom Glaspult: die türkisen Kabinettsmitarbeiter für seine Experten in der Regierung? Hier gehe es keinesfalls um Einflussnahme, versicherte er – die seien als "Einschulung" gedacht.

Was Kurz den Beschwerden der Opposition entgegne, dass er vor Installation der Übergangsregierung kaum Rücksprache gehalten habe? Der Kanzler-Konter: Er habe SPÖ-Vorsitzende Rendi-Wagner prompt über die neuen Namen auf seiner Ministerliste informiert – leider wären diese dann rasch an diese Öffentlichkeit gelangt. Und überhaupt werde er heute erneut Gespräche mit den Chefinnen der Oppositionsparteien führen.

Wie er dem anvisierten Misstrauensantrag entgegenblicke? Kurz: "Ich sehe das nicht als Damoklesschwert." Die Überlegungen von Rot, Blau und Jetzt pariert er mit der Warnung, dass er, der Kanzler, dafür sorge, dass "aus der Krise einer Partei nicht eine Krise des Staates wird".

SPÖ-Mann Drozda bleibt dabei: Kurz habe wieder nichts getan, um das Vertrauen herzustellen. Und es sei beschämend, dass er nun auch die Ersatzminister zu Marionetten degradiere. (Karin Riss, Petra Stuiber, Nina Weißensteiner, 22.5.2019)