Graz – Die vom STANDARD aufgedeckte Approbation einer offen rassistischen Bachelorarbeit an der Grazer FH Joanneum führt nun zu ersten Konsequenzen. Die FH-Geschäftsführung hat eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft formuliert, die für die Wissenschaft zuständige Landesrätin Barbara Eibinger-Miedl (ÖVP) sah sich gezwungen, ein Gutachten in Auftrag zu geben, das die Wissenschaftlichkeit sowie "die ethischen Dimensionen der betreffenden Bachelorarbeit" untersuchen soll.

Auch die Frage, wie es zur Anerkennung einer auf einer reinen "Rassentheorie" basierenden Arbeit – ohne jeglichen Verweis auf die rassenbiologische Grundideologie des Nationalsozialismus – kommen konnte, soll jetzt durchleuchtet werden.

"Rasse und Stimme"

Dass die 2018 approbierte Arbeit FH-intern überhaupt diskutiert wurde, ist der Aufmerksamkeit von Markus Gugatschka, Professor an der Medizinischen Universität Graz, zu verdanken. Gugatschka war Mitglied der Prüfungskommission im Studiengang Logopädie, vor der der Autor der Bachelorarbeit seine Abschlussprüfung ablegen musste. "Als ich das alles von ihm gehört habe, bin ich erst einmal aufgestanden und rausgegangen. Ich dachte, ich hör nicht richtig." Später, wieder drinnen, habe ihm der Erstgutachter, der die Arbeit als "sehr gut" bewertet hatte und via Skype vom Max-Planck-Institut in Leipzig zugeschaltet war, erklärt, der Titel sei ohnehin schon entschärft worden. Tatsächlich hieß die Arbeit ursprünglich "Rasse und Stimme" und wurde schließlich auf "Innerartliche Variation des menschlichen Vokaltraktes und der Stimme" geändert – worauf die Initiative Stoppt die Rechten hinweist.

Gugatschka erinnert sich, er habe sofort FH-Rektor Karl Pfeiffer informiert, dieser habe umgehend das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) kontaktiert und um eine Einschätzung gebeten. Da das DÖW keine strafrechtliche Handhabe fand, wurde die Arbeit schubladisiert, ehe sie auf universitärer Ebene kursierte und auch dem STANDARD zugespielt wurde.

Auch Grazer Uni involviert

FH-Lektorin Claudia Graf, die als interimistische Leiterin des Studiengangs Logopädie die Arbeit über "Negride" und "Mongolide" damals betreute, will sich nicht mehr dazu äußern. Sie werde "während der internen Überprüfung zu dieser Thematik keine Stellungnahme abgeben", sagt sie dem STANDARD.

Die Affäre weitet sich indessen auch auf die Uni Graz aus, denn eines der Mitglieder der Prüfungskommission an der FH war der Zweitbegutachter Ralf Vollmann, angesehener Linguist am Institut für Sprachwissenschaft der Karl-Franzens-Universität. Der Sprachwissenschafter hat mit dem Verfasser der Bachelorarbeit, den das DÖW "weit rechts" ansiedelt, zuvor gemeinsame Arbeiten publiziert.

Sprachwissenschafter Muhr fordert Aberkennung

Auf Anfrage des STANDARD, ob er wegen des rassistischen Backgrounds seines Studenten keine Bedenken gehabt habe, erklärt Vollmann via E-Mail: "Ich bin Linguist und arbeite seit vielen Jahren mit sprachlichen Korpora theoretisch wie praktisch in einem breiten Spektrum. Etliche Studierende haben daran mitgewirkt. Die Förderung junger Linguisten ist Teil meines Jobs."

Rudolf Muhr, Sprachwissenschafter an der Uni Graz und Initiator des jährlichen "Worts und Unworts des Jahres", ist aufgebracht: "Das kann doch nicht sein, dass an der Universität Rassisten gefördert werden. Diese völlig unwissenschaftliche Arbeit muss aberkannt werden." (Walter Müller, 23.5.2019)