Spaß muss auch sein, Gaming gehört zur neuen Arbeitswelt. V. re.: Kai Erenli (FH des BFI Wien), Lisa Koark (gamifizierte Fremdenführung), Alexandra Eichberger (Magenta Telekom), Konstantin Mitgutsch (MIT-Forscher und Inhaber Playful Solutions). Karin Bauer hat moderiert.

Foto: fh bfi

Gamification ist tot, es lebe die Gamification – so lässt sich die Expertendiskussion an der Fachhochschule des BFI Wien in dieser Woche zusammenfassen. Konkret: nach der Euphorie aufgrund der Gamingmethoden im Lehr- und Lernbereich vor einigen Jahren ist Ernüchterung eingekehrt. Und es hat gleichzeitig eine "Immersion" stattgefunden: Features, die gar nicht mehr "Gaming" heißen, haben sich durch verschiedene Technologien (etwa Virtual Reality) in verschiedensten Bereichen der Arbeitswelt eingenistet und sollen dort "Lernjourneys" ermöglichen.

Für Kai Erenli, Jurist, Gamedesigner und Studiengangsleiter Film, TV- und Medienproduktion an der FH des BFI Wien, eine hervorragende Ausgangsposition. Denn jetzt sei verstanden worden, dass einfach nur nach Schema X Badges und Punkte zu sammeln nicht das ist, was den Homo ludens im Arbeitsbereich der Verhaltensänderung und Verfestigung neuer Kompetenzen bringt. Vielmehr gehe es jetzt um klare gemeinsame Ziele, um Interaktion.

Großer Auftritt

Er sieht, nach zahlreichen Studien zum Thema, einen großen Auftritt für "Gamification 2.0". Und es ist keine Frage für ihn: "Gamedesign war und ist der sexiest Job." Konstantin Mitgutsch, mit Playful Solutions Unternehmer, der bei Gamifizierungsprojekten berät und nach Forschungstätigkeit am Massachusets Institut of Technology (MIT) dort nun Research-Affiliate ist, sieht die Entwicklung auch an einer heiklen Kreuzung: Manipulationsinstrument oder ein bunter Methodenmix, der Arbeit erfreulicher macht, Lust aufs Lernen und Erkunden erzeugt oder der Überwachung und Sortierung dient (wie aktuell bereits in China in verschiedenen Anwendungen).

Grundsätzlich, so Mitgutsch, funktionieren maßgeschneiderte Programme dort, wo die Rahmenbedingungen der Unternehmenskultur und des Menschenbilds passen. In Unternehmen, in denen das Topmanagement kopfschüttelnd sagt, dass das ja quasi unerhört sei, dass die Leute jetzt in der Arbeit spielen sollen, seien nicht besonders geeignet, Teamzusammenspiel oder Reagibilität solcherart zu ermöglichen und auszubauen. Beide sind überzeugt, dass die Fähigkeiten, die beim Spielen erworben werden – Beharrlichkeit, scheitern und weitermachen können, Niederlagen verkraften, sich zentrieren und fokussieren -, zentrale Fähigkeiten für die Zukunft der Arbeitswelt sind.

Den Homo ludens erwecken

Wir gehörten alle zur Gattung Homo ludens, wir würden nur gelehrt, das zu vergessen, so die beiden Experten. Den Spielbegriff fassen sie dabei weit. "Leichtigkeit und Freude" nennt auch Alexandra Eichberger, bei der aus T-Mobile und UPC neu formierten Magenta für Change und Human Resource Excellence verantwortlich, als ein Leitmotiv. Lehrlinge etwa, sagt sie, seien in klassischen Assessment-Centern nicht wirklich anzulocken. Das Game bei Magenta dazu heißt "Match" und testet, ob die jungen Leute zur Firma passen und was sie triggert. Dass sich das laufende Investment lohnt, davon ist sie überzeugt, wenngleich sie künftig nicht alle Personalprozesse mit Gaming-Elementen unterstützt sieht.

Aber, sagt sie zustimmend, spielerischer Zugang entspreche dem Wertekanon der neuen Arbeitswelt: Wer Work-Life-Balance will, der will auch das Gefühl haben, so arbeiten und lernen zu dürfen, wie es für sie oder ihn am angenehmsten ist. Der Gewinn für die Firma? Die Leute tun es gern, daher gut und nachhaltig. Natürlich ist die Verknüpfung mit dem Innovationsimperativ schnell da.

Neue Ansätze

Dass es dafür allerdings viel braucht, zeigt Lisa Koark. Sie ist Fremdenführerin und gamifiziert mit ihrem Unternehmen Path gerade den klassischen Job Fremdenführung. Via Pads werden die Touristen fast wie in einem Escape-Room geführt, wobei am Anfang nicht klar ist, wo die Landung stattfindet. Auch sie lässt keinen Zweifel an den "vielen, großen" Möglichkeiten von Game-Zugängen.

Mitgutsch meint, dass sich diese Fragen in noch ganz anderer Dimension stellen werden, wenn so gut wie alle Gegenstände in ein paar Jahren als Screen dienen können. Dass sich ethische Fragen natürlich ebenso stellen, zeigt das Beispiel China. Die Jobaussichten in diesem Feld scheinen rosig. Das sagt nicht nur – eh klar – Studiengangsleiter Erenli, auch im Publikum zeigt sich die Suche nach neuen Ansätzen in der Unternehmens- und Arbeitsorganisation im Feld des Gamings als guter Indikator dafür. (Karin Bauer, 27.5.2019)