Pamela Rendi-Wagner am Montag bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen.

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Die SPÖ ist ganz schön in der Bredouille. Und mit ihr Parteichefin Pamela Rendi-Wagner. Es wird wahrscheinlich am Abstimmungsverhalten der SPÖ liegen, ob wir am Montag noch einen Bundeskanzler namens Sebastian Kurz haben oder nicht. Wie sich die SPÖ auch entscheidet, es wird falsch sein.

Stimmt die SPÖ für die Ablöse von Kurz, wird es heißen, sie gefährde die politische Stabilität des Landes, sie vergrößere noch die Staatskrise. Das schade unserem Ansehen im Ausland, das koste möglicherweise Arbeitsplätze. Und das alles bloß aus parteitaktischem Kalkül, um sich möglicherweise für die Nationalratswahl im Spätsommer eine bessere Ausgangssituation zu verschaffen.

Was der SPÖ noch auf den Kopf fallen könnte: Kurz ist – freilich nicht bei allen – ein sehr beliebter Kanzler. Ihn abzusetzen wird in großen Teilen der Bevölkerung nicht gut ankommen und auf Unverständnis stoßen. Die Kluft zwischen den politischen Lagern würde mit einer Absetzung von Kurz noch größer werden. Die ÖVP unter Kurz hat bei der Nationalratswahl 2017 immerhin 31,5 Prozent erreicht, liegt in Umfragen jetzt noch deutlich darüber und könnte bei der EU-Wahl kommenden Sonntag wieder Platz eins erringen, möglicherweise recht deutlich.

Sind das gute Voraussetzungen, Kurz aus dem Amt zu jagen? Bereitet man damit nicht erst recht den Boden für ein sensationelles ÖVP-Ergebnis im kommenden September auf? So toll ist die SPÖ jetzt auch nicht aufgestellt, dass sie über die große Autorität verfügte, der man gern folgen wollte.

Auch die Kronen Zeitung und der Bundespräsident, beide sind für die SPÖ nicht ganz unerheblich, sind gegen das drohende Chaos und wollen die jetzige Regierung im Amt halten. Und schließlich: Was hat sich Sebastian Kurz zuschulden kommen lassen? Hat er auf Ibiza gekokst? Eben.

Andererseits: Sollte die SPÖ am kommenden Montag Kurz stützen und ihn nicht stürzen, würden sich wohl sehr, sehr viele Wähler der SPÖ fragen, wozu sie die SPÖ denn gewählt haben – und ob sie das noch einmal tun sollen. Rendi-Wagner bekommt aus der Basis und von den Funktionären unglaublichen Druck, diese Chance wahrzunehmen und Kurz mit allen Konsequenzen auch formell das Vertrauen zu entziehen.

Gründe gäbe es genug: Kurz hat dem Land die Koalitionsregierung mit der FPÖ eingebrockt, die unter so jämmerlichen Begleiterscheinungen gescheitert ist. Er hat nichts unternommen, um das gestörte Vertrauensverhältnis zu den Oppositionsparteien zu reparieren. Er geht gar nicht auf die SPÖ zu, sondern provoziert sie. Das vermeintliche Expertenkabinett ist nichts anderes als eine türkise Alleinregierung. Kurz düpiert das Parlament, dem er sich noch immer nicht erklärt hat. Seine weitere Kanzlerschaft ist eine perfekte Basis für den Wahlkampf der ÖVP. Und er hat gezeigt, dass er bereit ist, einen schmutzigen Wahlkampf gegen die SPÖ zu führen. Warum also ihn halten? Ihm nicht das Vertrauen zu entziehen, das würde kein Mensch verstehen.

Rendi-Wagner hätte politisch abgedankt, wenn sie diese Chance nicht nützen würde. Zahn- und kraftlos, das würde den Funktionären die Motivation für den Wahlkampf rauben.

Andererseits ...

Dieses Spiel kann die SPÖ nicht gewinnen. Was Rendi-Wagner auch macht, sie wird dafür heftig kritisiert werden. Argumente dafür gibt es – in jedem Fall. (Michael Völker, 23.5.2019)