In Heinz-Christian Straches Situation als weinerlicher Zecher vor die Nation zu treten, um seine Frau wissen zu lassen, dass er sich nicht nach Hause traut, war der falsche rhetorische Ansatz.

Foto: Heribert Corn

Die Textsorte Philippika hat schon bei erster Anwendung nicht den gewünschten Erfolg gebracht, erst recht hat sie in Straches Modifikation das genaue Gegenteil dessen bewirkt, was des Redners Absicht war. In seiner Situation als weinerlicher Zecher vor die Nation zu treten, um seine Frau wissen zu lassen, dass er sich nicht nach Hause traut, war der falsche rhetorische Ansatz, weshalb es nicht ausbleiben konnte, dass "Phibi" mit Baby bei Eltern ein- und der Bundeskanzler die Reißleine zog. Neurolinguistisch ordentlich programmiert hätte er den beiden ein mannhaft deutsches "Jetzt erst recht" entgegenschleudern können, was besser zu jemandem gepasst hätte, der sich im fernen Ibiza die Schoafheit einer Oligarchin von ihren dreckigen Zehennägeln nicht vermiesen lässt. Bist du deppert!

In der "Kronen Zeitung" galt Conny Bischofbergers inniges Mitgefühl den Daheimgebliebenen. Unvorstellbar, was sie alle durchmachen müssen, vor allem der erst fünf Monate alte Sohn. Was bleibt von einem Politiker, wenn seine Funktionen, sein Gehalt, sein Dienstauto, sein Chauffeur, sein Leibwächter, sein Ansehen weg sind? Es bleibt der Mensch. Und dieser Mensch steht vor den Trümmern seines Lebens. So die "Krone"-Trümmerfrau.

"Strache sieht sich als Opfer und will Unschuld beweisen."

Alles nicht so schlimm. Kaum waren die Gefühle der freiheitlichen Tierschutzbeauftragten ausgelotet – " Ich muss und will jetzt für mein Baby stark sein" -, konnte das Blatt einen Tag später melden: Strache sieht sich als Opfer und will Unschuld beweisen. "Wir werden die Hintermänner des Dirty Campaignings gegen meine Person ausfindig machen." Erste Hinweise hatte ihm am Montag der Bundeskanzler, wieder bei Frau Bischofberger, geliefert. Auf ihre Frage, ob er glaube, das Video komme aus dem Umfeld von Silberstein, wusste er genau: Er hat das in vielen Ländern schon praktiziert. Insofern halte ich das für sehr wahrscheinlich. Als leichte Entlastung für Silberstein tauchte dann aber im Gedächtnis des Kanzlers auf: Als wir mit der Freiheitlichen Partei in eine Koalition gegangen sind, war nicht klar, ob die handelnden Personen auch alle wirklich regierungsfähig sind. Man muss es mit der Klarheit ja nicht übertreiben, wenn es nur ums Regieren geht.

Für die "Krone" war der Verrat eines ihrer Helden – Zack, zack, zack! - ein Schlag, sie muss sich jetzt allein auf Sebastian Kurz fokussieren. FPÖ am Ende!, desinformierte sie ihre Leser. Einen Angriff auf die Unabhängigkeit und Unkäuflichkeit der "Krone" hätten Strache und Gudenus geliefert. Die Unruhe in der Redaktion muss groß gewesen sein, als die Frage auftauchte, welche drei aus ihrer Mitte gepusht und welche drei abserviert werden sollten, wenn die Oligarchin mit den dreckigen Zehennägeln dereinst für Strache sauber an der Unkäuflichkeit des Blattes arbeitet. Journalisten sind bekanntlich allesamt Huren, aber mit Strache als Zuhälter bekäme ihr Gewerbe einen neuen Sinn.

"Ungezogene Rotzlöffel"

Die Unabhängigkeit des Blattes musste eine scharfe Kurve nehmen, aber der geschäftsführende Chefredakteur hat das perfekt wie immer bewältigt. Zwei ungezogene Rotzlöffel, die sich die "Kronen Zeitung" und dann gleich das ganze Land unter den Nagel reißen wollen: Die haben uns nicht zu vertreten! Schade, denn bisher hat die "Krone" die zwei ungezogenen Rotzlöffel ziemlich gut vertreten. Sicher ist: Frau Professor Dr. Gerti Senger wäre unter dem Spezialisten für weibliche Schoafheit selbstverständlich gepusht worden, weil sie als eine der wenigen im Blatt sachlich für Aufklärung sorgt. Claus Pándi und Michael Jeannée müssten nach ihren letzten Volten wohl eine Abservierung einkalkulieren.

So schrieb Pándi zur Situation, da darf sich Österreich glücklich schätzen, mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen einen besonnenen Staatsmann an der Spitze der Republik zu wissen. Als er zur Wahl gegen Norbert Hofer stand, sah die "Krone" das Glück Österreichs eher beim jetzt Zurückgetretenen. Und Jeannée sieht die Geschichte der Pamela Rendi-Wagner, die sich, von Freund und Feind schwer unterschätzt, in der ersten wirklichen Bewährungsprobe ihrer erst so jungen politischen Tätigkeit glänzend bewährt. Aber nur, wenn sie auf die "Krone" hört und Kurz nicht das Misstrauen ausspricht. Das Blatt hat im Moment keinen Besseren zum Anhimmeln.

Um ihn zu beschützen, ist plötzlich von der Opposition Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg erwünscht. Vernunft muss jetzt regieren!, fordert das Zentralorgan der permanenten Unvernunft. Sollte Kurz bisher unvernünftig regiert haben? (Günter Traxler, 26.5.2019)