Die Beobachtung der eindrucksvollen Spiralgalaxie NGC 300, hier mithilfe vieler Einzelaufnahmen mit verschiedenen Farbfiltern dargestellt, lieferte neue Erkenntnisse über die Sternenentstehung.
Foto: Nasa

Für die Entstehung eines Sternes braucht es sogenannte Molekülwolken. Diese interstellaren Ansammlungen von hauptsächlich molekularem Wasserstoff mit Beimengungen einiger anderer Elemente wie Kohlenmonoxid sowie interstellarem Staub benötigen zumindest an bestimmten Stellen eine gewisse Dichte, damit es zu jenem gravitativen Kollaps kommt, der letztlich den Kern eines zukünftigen Sterns bildet. Zunächst verdichtet sich dabei ein prästellarer Kern zu einem sogenannten Protostern. Diese Phase dauert gut 10.000 Jahre – kosmisch gesehen eine reichlich kurze Zeit. Letztlich erweist sich die Sternengeburt in einer Molekülwolke jedoch als einigermaßen "ineffizient", wie nun Astrophysiker beobachten konnten: Das meiste Gas wird durch die Strahlung der jungen Sterne zerstreut.

Anhand von Beobachtungen der Spiralgalaxie NGC 300 ist es dem Forscherteam um Diederik Kruijssen von der Universität Heidelberg nun erstmals gelungen, die Entwicklung von Molekülwolken und die in ihnen stattfindende Sternentstehung im Zeitverlauf zu rekonstruieren. Ihre im Fachjournal "Nature" präsentierte Analyse zeigt, dass diese Wolken kurzlebige Phänomene sind, die unter dem Einfluss der intensiven Strahlung junger Sterne einen schnellen Lebenszyklus durchlaufen.

Zwei Szenarien

Es gibt zwei Ansätze, um die in der Spiralgalaxie NGC 300 beobachtete Aktivität der Sternentstehung zu erklären. Entweder verwandelt sich die gesamte Materie der Molekülwolke über einen langen Zeitraum hinweg in Sterne. In diesem Fall müssten die jungen Sterne am gleichen Ort wie die Molekülwolken, aus denen sie sich einst gebildet haben, zu finden sein. Oder aber die Sterne entstehen sehr schnell innerhalb der Molekülwolken aus einem Bruchteil des Gases und zerstreuen das restliche Gas durch ihre intensive Strahlung. Ist dies der Fall, müssten sich die jungen Sterne und die Molekülwolken an unterschiedlichen Orten befinden.

Links: Die Positionen von Molekülwolken (blau) und jungen Sternen (rosa) stimmt auf kleinen Größenskalen nicht überein. Die beiden Zweige in der rechten Grafik quantifizieren diese Verschiebung, indem sie zeigen, dass Molekülwolken und junge Sterne erst dann korrelieren, wenn sie über große Teile der Galaxie "gemittelt" werden (1.000 Parsecs entsprechen rund 3.000 Lichtjahren).
Illustr.: Universität Heidelberg

Um die Frage zu klären, welcher Ansatz zutreffend ist, kombinierten Kruijssen und seine Kollegen zwei verschiedene Beobachtungen der Galaxie NGC 300, die rund sechs Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt ist. Die erste Beobachtung ist eine Karte des vom Kohlenmonoxid emittierten Lichts, die anzeigt, wo sich Molekülwolken befinden; die zweite ist eine Karte von heißem, ionisiertem Wasserstoff, der die Positionen massereicher neugebildeter Sterne markiert. Die Karten entstanden mithilfe des Atacama Large Millimeter Array (ALMA) der Europäischen Südsternwarte (ESO) und des 2,2-Meter-Teleskops der Max-Planck-Gesellschaft und der ESO.

Wie sich Molekülwolken gegenseitig beeinflussen

Die ALMA-Beobachtungen stammen von Andreas Schruba vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching und einer der Co-Autoren der Studie. Die Wissenschafter analysierten die Daten mit einer neuen statistischen Methode, die ermittelt, wie molekulares Gas und Sternentstehung auf unterschiedlichen Größenskalen zusammenhängen. Mit dieser Methode ist es erstmals möglich, die Positionen von Molekülwolken und jungen Sternen in Relation zueinander mit großer Genauigkeit zu quantifizieren.

Die Auswertung der Daten lässt keinen Zweifel, dass die Positionen von Molekülwolken und jungen, massereichen Sternen selten übereinstimmen. Je kleiner die betrachteten Größenskalen waren, desto stärker war dieser Effekt. Daraus schließen die Wissenschafter, dass Sterne sehr schnell entstehen, sodass Gas und Sterne aufeinanderfolgende Phasen im Lebenszyklus von Molekülwolken darstellen.

Video: Die Positionen von Molekülwolken und jene von jungen, massereichen Sternen stimmt meist nicht überein.
MUSTANG Astrophysics Group

Nur ein geringer Bruchteil wird zu Sternen

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Entstehung von Sternen sehr schnell und zugleich sehr ineffizient verläuft", so Kruijssen. "Molekülwolken in NGC 300 haben eine Lebensspanne von etwa zehn Millionen Jahren und werden innerhalb von nur rund 1,5 Millionen Jahren zerstört, lange bevor die massereichsten Sterne ihr Lebensende erreicht haben und als Supernovae explodieren." Mélanie Chevance, Co-Autorin der Publikation ergänzt: "Aufgeheizt durch die intensive Strahlung junger Sterne wird die Molekülwolke, aus der die Sterne einst entstanden sind, in Form von heißen interstellaren Gasblasen auseinandergetrieben. So werden nur etwa zwei bis drei Prozent der Masse in Molekülwolken tatsächlich in Sterne umgewandelt."

Die Wissenschafter wollen die neue statistische Methode nun auf die Daten von weit entfernten Galaxien anwenden, um die Sternentstehung in Molekülwolken im Verlauf der Geschichte des Universums zu beobachten. "Wir werden den Zusammenhang von Molekülwolken und jungen Sternen in Galaxien im ganzen Kosmos untersuchen. In naher Zukunft wird uns das ermöglichen, Galaxien als Ensemble kleiner Bestandteile zu verstehen, die durch Sternentstehung gesteuerten Lebenszyklen unterliegen und so gemeinsam das Erscheinungsbild ihrer Wirtsgalaxien prägen", sagt Kruijssen. (red, 25.5.2019)