Immer der Nase nach: Spürhund Joy, eine französische Laufhündin, untersucht Bäume auf Bockkäfer.

BFW-Waldschutz Wien

Andor lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Gemessenen Schrittes, die Nase dicht am Boden, schreitet er durchs Gehölz. Gründlichkeit ist sein Markenzeichen, seine Kräfte setzt er sparsam ein. Viermal schnüffelt er in alle Richtungen, bis er sich seiner Sache sicher ist. Ein Blick zu seinem Partner, ein kurzer Schwanzwedler, und die Brandlbracke macht es sich neben dem Baum bequem.

Ute Hoyer-Tomiczek flüstert ihm lobende Worte ins Ohr, und Andor nimmt würdevoll die kleingeschnittenen Entenstreifen entgegen. Bald zwölf Jahre ist der kräftige Jagdhund alt, ein Veteran und Profi seines Fachs. Weltweit zählte er zu den Ersten, die sich auf die Spur des gefürchteten Asiatischen Laubholzbockkäfers hefteten.

Auch der nicht minder gefährliche, in China, Korea und Japan beheimatete Citrusbockkäfer fällt in sein Revier. In gesetztem Alter spezialisierte er sich noch auf den berüchtigten Eschenprachtkäfer. Der metallisch schillernde Schädling wurde von Asien nach Kanada und Amerika eingeschleppt, wo er sich seither rasant vermehrt und den Bestand der Eschen dramatisch dezimiert.

Spürhund Kada, ein Kurzhaarcollie, knöpft sich Brennholz vor.
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Im Dienste seines Jobs als Spürhund reiste Andor durch Europa, schnüffelte sich durch Container, Lagerhallen, Baumschulen und Wälder. Nun nähert er sich einer wohlverdienten Pension an. Die Freuden eines Käfertrainings zwischendurch will ihm seine Besitzerin jedoch nicht nehmen. "Der Herr Professor liebt das Gefühl, noch wichtig zu sein", sagt Hoyer-Tomiczek und klopft ihm sanft die Flanken. Und wenn es ihm seine schon etwas angeschlagene Gesundheit erlaubt und ihm der Sinn danach steht, macht ihm kein junger Kollege etwas vor.

Fünf Hunde streifen an einem kühlen Nachmittag im Mai durch die grüne Flur am Rande der Gemeinde Bad Vöslau in Niederösterreich. Der Trainingsplan sieht eine lockere Aufwärmübung vor. Dann wird ihre Nasenarbeit mittels Stechuhr und Windmesser getestet und statistisch ausgewertet.

Zigarettenfilter mit Larvenduft

Hoyer-Tomiczek, Biologin des Instituts für Waldschutz im Bundesforschungszentrum für Wald, hält die in Gläser eingeschlossenen Geruchsproben ans Licht. Es sind tote Eschenprachtkäfer, Rinden mit Larvengängen, Bohrmehl und Zigarettenfilter, die mit Lebendgeruch der Larven bedampft wurden – Gaben von Projektpartnern aus den USA. In Österreich treibt das possierliche Tierchen noch kein Unwesen. Was nicht bedeutet, dass keine Gefahr droht.

Von Moskau aus breitet sich der Käfer kontinuierlich gen Westen Richtung Ukraine und Weißrussland aus. Über Importe von Verpackungs- wie Brennholz und befallene lebende Pflanzen für Baumschulen könnte er auch hierzulande Einzug halten. Die Europäische Union schreibt daher regelmäßige Kontrollen vor, auch um illegalen Passagieren wie den Bockkäfern die Einreise zu verwehren.

Der asiatische Laubholzbockkäfer wurde vermutlich mit Verpackungsholz aus China nach Europa eingeschleppt.
Foto: BFW-Waldschutz Wien

Geprüft werden die Einfuhren vor allem visuell. Vermehrt kommen dabei jedoch auch Spürhunde zum Einsatz. Zehn Jahre ist es her, dass Hoyer-Tomiczek Methoden entwickelte, um sie in die sensible Sucharbeit einzubinden.

Mittlerweile üben sich darin neben österreichischen auch deutsche und Schweizer Experten. Die Amerikaner gaben wieder auf. Die Kosten schienen ihnen zu hoch, die Erfolgsquoten zu gering.

Leberwurst aus der Tube

Joy, eine französische Laufhündin, erlaubt sich keine Fehler. Im Alter von fünf Monaten durchlief sie eine achtwöchige Ausbildung. Mit fünf Jahren jagt sie nun regelmäßig im Auftrag der Behörden dreierlei Schädlingen hinterher – zwei Mal in der Woche wird trainiert. Ihre Besitzerin Diana Mittermayr hält ihr eine Geruchsprobe unter die schwarze Nase. Auf ein Signalwort folgt eine Portion Leberwurst aus der Tube, schwanzwedelnd legt Joy los. Gekläfft wird wenig, umso emsiger kratzt sie an Bäumen, in denen sich der feine Duft des Käfers und seiner Eiablagen verliert. Punktgenau soll die Hündin die versteckten Proben lokalisieren. Erneute Leberwurst belohnt den geglückten Fund.

Die Larve des Laubholzbockkäfers frisst sich durchs Holz. Nach ein bis zwei Jahren sterben befallene Laubbäume ab.
Foto: BFW-Waldschutz Wien

Arbeitskollegin Kada, ein Kurzhaarcollie, ihr schmaler Kopf erinnert ein wenig an einen Ameisenbären, bellt die vermeintliche Käferinvasion nach wenigen Minuten der Suche lieber herzhaft an. Sie schnappt sich ein Leckerli, ignoriert allfällige andere wilde tierische Versuchungen des Waldes. Sie würdigt auch den grauen Kater, der von der Leberwurst in den Bann gezogen wird, keines Blickes und hetzt mit einem Quietschball durch die Wiese. Ein kluger, sensibler Hund der leisen Töne sei sie, sagt Mittermayr und hält Kada beim Anschnuppern der Geruchsproben kurz die Augen zu. Anders als Joy ließe sie sich nämlich stark von visuellen Reizen verführen.

Zielgerichteter Ungehorsam

Was es braucht, um sich als Käfersuchhund verdient zu machen? Starken Such- und Findewillen, verbunden mit Arbeitseifer und der Bereitschaft, zu kooperieren, resümiert Hoyer-Tomiczek. Nötig sei auch Selbstständigkeit: Zielgerichteten Ungehorsam nennt sie die Fähigkeit, sich im Zweifelsfall gegen den Willen der Hundeführer durchzusetzen, die durch ihre Körperhaltung auch Fehlanzeigen provozieren können. "Wir wollen hier keinen Drill, keinen militärischen Gehorsam."

Sechs Spürhunde sind in Österreich derzeit fähig, in Holzimporten verborgene Eschenprachtkäfer zu identifizieren. 111 Hunde in Österreich, Deutschland und der Schweiz dienen dem Kampf gegen den asiatischen Bockkäfer, der mittlerweile auch in Europa mehr als 100 Laubholzarten den Garaus macht.

Gefällte Bäume als Brutstätte für Schädlinge. Joy im Einsatz für die Behörden.
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Amtshilfe in Tirol leistet Bernhard Kohl mit seinem Border Collie Finlay. Gemeinsam durchforsten die beiden immer wieder große Speditionen, stoßen dabei auf skeptische Lagerarbeiter und besorgte Besitzer wertvoller Bonsais, erzählt der Experte für Naturgefahren im Bundesforschungszentrum für Wald in Innsbruck.

Nicht länger als zwei Minuten benötigt Finlay, um in Niederösterreich die zwei in Schulterhöhe ausgelegten Käferproben dingfest zu machen. "Braver Bursche", sagt Kohl und lässt seinen Collie einem Stockerl hinterherjagen.

Millionen Kubikmeter Schadholz

Geht die Strategie auf, wird bald ein weiterer ungeliebter Käfer auf die Fahndungsliste der Spürhunde gesetzt. Er ist in Europas Fichtenwäldern schon seit Generationen zu Hause und der Schrecken der Forstbesitzer. Rund fünf Millionen Kubikmeter Schadholz gingen allein in Österreich im Vorjahr auf sein Konto. Lange Trockenheit und hohe Temperaturen befeuern seine Population. Ihn rigide zu bekämpfen verschlingt Millionen.

In einem neuen Projekt werden Hunde nun darauf trainiert, auch Borkenkäfer zu erschnüffeln. Drei beherrschen es bereits. Nach wissenschaftlicher Evaluierung will Hoyer-Tomiczek dazu 2020 erste Kurse anbieten, für Förster etwa und Mitarbeiter der Holzbetriebe. "Es ist kein Allheilmittel, um die Plage in den Griff zu bekommen, aber ein Hilfsmittel von vielen."

Spürhündin Dana: Eine von sechs ihrer Garde, die auch auf den berüchtigten Eschenprachtkäfer Jagd macht.
Foto: BFW-Waldschutz Wien

Hunde spüren Sprengstoff, Drogen, Krebszellen und Geld auf. Sie erkennen Handys, USB-Sticks wie Festplatten und leisten wertvolle Dienste für Diabetiker, da sie Unterzuckerung wahrnehmen. Warum also ihre feinen Nasen nicht auch für den Befall mit Borkenkäfern nutzen, sagt Wolfgang Riener.

Der Forstwirt, Jäger und Hundeführer geht mit seinem Border Collie Cupper im Auftrag der Bundesforste im Waldviertel auf Schädlingspatrouille. Cupper ist trotz seines stolzen Alters von zehn Jahren einer der drei Hunde seiner Garde, auf deren Riechvermögen bei Borkenkäfern Verlass ist.

Sorge um Fichten

Aus einem Käferbaum im Frühling entstehen tausend Käferbäume im Herbst, zitiert Riener eine Faustregel der Branche. Klar seien Österreichs Forstwirtschaft in der Vergangenheit viele Fehler unterlaufen – etwa was das natürliche Vorkommen der Fichten betrifft. Aber mittlerweile lebten nun mal viele von ihrem Holz, und um ganze Wälder auf andere Baumkulturen umzubauen, brauche es mehr als nur ein paar Jahre. "Wir müssen daher die verbleibenden Fichtenbestände gesund erhalten. Hier geht es um hohen Werterhalt."

Mit seinem Rüden Cupper, ein langer Routinier in Sachen Laubholzkäfer, betrat der Revierleiter Neuland. "Nach einem Tag war klar, er kann es." Ein Jahr dauerte es, bis er sicher war, dass sich die Borkenkäfersuche in der Praxis gemeinhin bewähren könne. "Wir werden damit die Probleme nicht lösen, aber eindämmen."

Brandlbracke Andor, auch Herr Professor genannt, spürt mögliche Laubholzbockkäfer in Holzpaletten auf.
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Rotbraun und entnadelt bieten sich die von Borkenkäfern befallenen Nadelbäume dar. Doch liegt die Fichte weithin sichtbar krank darnieder, ist der zerstörerische Käfer meist schon längst ausgeflogen. Wer nicht die Zeit hat, jeden Baum einzeln auf Eier und Larven abzuklopfen, hinkt also stets einen Schritt hinterher, seufzt Riener. Zumal der Regen die verräterischen Fraßspuren der Larven zusätzlich verwische. Der Hund jedoch, habe er den Geruch einmal in der Nase, stelle die befallenen Bäume rasch und günstig.

In Bad Vöslau ist Hoyer-Tomiczek derweil mit der Trefferquote ihres Teams auf vier Pfoten zufrieden. Ein bis eineinhalb Jahre brauche es, bis Hund und Führer gut eingespielt seien, sagt sie mit Blick auf ihre Leute. Erzwingen lasse sich nichts. Manch umfassend ausgebildeter Hund bleibe sein Leben lang ein leidenschaftlicher Jäger. "Die Käferarbeit ist dann halt nur Zweitberuf." (Verena Kainrath, 25.5.2019)