Als Xi Jinping im April 2017 erstmals Donald Trump auf dem Mar-a-Lago-Gipfel in Florida traf, sagte der chinesische Staatschef zum US-Präsidenten einen Satz, den er heute bedauert. "Es gibt tausend Gründe, um unsere Beziehungen zum Erfolg zu machen – aber keinen einzigen, um sie zu verschlechtern."

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Peking vor zweieinhalb Jahren: Damals standen die Zeichen zwischen Xi Jinping und Donald Trump noch ganz demonstrativ auf Freundschaft.
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Zwei Jahre später passt das hoffnungsvolle Statement nicht mehr in die aktuelle Landschaft. Allein in der vergangenen Woche attackierten täglich dutzende Berichte in chinesischen Medien die USA, als ob es nun tausend Gründe für einen Bruch des Verhältnisses gäbe: Sie kommentierten die exorbitanten Strafzölle im Handelskrieg, die Washington seit Mai auf die Hälfte aller seiner US-Einfuhren aus China aufschlug, nachdem es Peking vorwarf, die USA bei den Verhandlungen ausgetrickst zu haben. Sie warnten die USA, nachdem diese erneut Kriegsschiffe durch die Meerenge der Taiwan-Straße am Festland Chinas vorbei patrouillieren ließen.

Oder sie beklagten die pauschalen Verdächtigungen der US-Behörden, die mehr als 200 Professoren Einreisevisa verweigerten und sich auch gegen viele der 370.000 chinesischen Studenten in den USA richten.

Streit um Huawei

Für besonderen Zorn sorgt der gerade ausgebrochene Streit um den Netzwerk- und 5G-Ausrüster Huawei, den zweitgrößten Mobiltelefonanbieter der Welt. Die USA setzten den Konzern auf ihre Schwarze Liste von Unternehmen, mit denen alle technologische Zusammenarbeit geächtet wird. Jeder Vorfall für sich hätte früher Pekings Verhältnis zu Washington auf Grundeis setzen und die patriotische Volksseele zum Kochen bringen können.

Schrille Töne schlug am Freitag ein Leitartikel des in Englisch und Chinesisch erscheinenden Parteiblattes Global Times an: Es warf Trumps früherem Chefstrategen und Chinakritiker Steve Bannon und anderen US-Wirtschaftsberatern vor, eine "Gruppe ökonomischer Faschisten" zu sein, und warnte: "Die Gesellschaft sollte vorbereitet sein, dass mit dem eskalierenden Handelskrieg die US-Politik gegenüber China entgleist."

Propaganda-Lied

Das Thema bewegt auch die Chatforen im Internet. Dort macht ein antiamerikanischer Song chinesischer Patrioten unter dem Titel: China-USA Handelskrieg Furore. Er vertont die Melodie eines antijapanischen Liedes aus dem Jahr 1942: Der Tunnelkrieg.

Der neue Text geht so: "Handelskrieg-Handelskrieg / Vom Pazifik kommst du her, / greifst auf die Seidenstraße über. / Wir fürchten deine barbarische Art nicht. / Wer gegen uns losgeht, den werden wir grün und blau schlagen, / bis ihn seine Seele verlässt."

Als Texter gibt sich der Dichter Zhao Liangtian zu erkennen, der auf seiner Webseite über die Resonanz prahlt: Sein Lied sei von 46 Wechat-Plattformen übernommen und schon 3,2 Millionen Mal aufgerufen worden. Doch seit dieser Woche werden einige radikalisierte Versionen des Lieds von der Zensur geblockt.

Keine "spontane" antiamerikanische Wut

"Der Inhalt widerspricht den Internetregeln" leuchtet nach dem vergeblichen Aufruf als Erklärung für die Zensur auf. Peking möchte es zwar Washington heimzahlen, täglich von den USA gedemütigt zu werden. Aber die Regierung hütet sich, dabei zu weit zu gehen und "spontane" antiamerikanische Wut auf der Straße entfachen zu lassen, über die sie die Kontrolle verlieren könnte.

So wurden alle Online-Aufrufe, US-Waren zu boykottieren, umgehend von den Servern gelöscht. Es kam auch bisher zu keinen Protestkundgebungen. Auf der Pekinger Tianzelu-Straße vor der Botschaft der USA stehen trotz Sommerhitze täglich hunderte Antragsteller geduldig in langen Schlangen an, um ihr Visum für die Vereinigten Staaten von Amerika zu beantragen oder abzuholen.

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Der Elektronikkonzern Huawei steht im Zentrum des Streits.
Foto: reuters / tyrone siu

Öffentliche Internetappelle, den von den USA auf die Schwarze Liste gesetzten Konzern Huawei mit solidarischen Aktionen zu unterstützen, sind verstummt. Einige chinesische Unternehmen hatten ihren Mitarbeitern die Benutzung von amerikanischen Apple-Smartphones verboten und ihnen Prämien angeboten, wenn sie stattdessen Huawei-Produkte nutzen.

Polemik im iPhones

Selbst Huawei-Gründer und Konzernchef Ren Zhengfei distanzierte sich davon. Vergangenen Dienstag rief er im Interview mit zwei Dutzend chinesischen Journalisten seine Landsleute auf, den Handelsstreit mit den USA nicht "engstirnig" zu politisieren. "Auf keinen Fall darf ein populistischer Wind entfacht werden." Ob jemand nun ein Smartphone von Huawei benutzt oder nicht, das "ist kein Ausweis für seinen Patriotismus". Falls einer das Telefon nicht mag, soll er es auch nicht nutzen. "Das hat mit Politik nichts zu tun."

Zhengfei ließ außerdem wissen, dass er von Vergeltungsmaßnahmen Chinas gegen Apple nichts hält. "Das wird erstens nicht geschehen, und wenn das doch passieren sollte, werde ich der erste sein, der dagegen protestiert", sagte er der Agentur "Bloomberg".

Chinas Führung setzt statt auf Krawall bewusst auf dosierte Warnzeichen gegen die USA. So strahlten die staatlichen Fernsehsender von CCTV kurz nach den gescheiterten Handelsstreit-Verhandlungen drei mehr als 50 Jahre alte patriotische und antiamerikanische Spielfilme über den Koreakrieg (1950–1953) aus. Sie verbreiteten eine geschichtsklitternde Botschaft: Damals besiegte China die US-Imperialisten und zwang sie zum Waffenstillstand. Das könne das Land jederzeit wieder tun.

Staats- und Parteichef Xi Jinping verordnete ab Juni eine neue ideologische Erziehungskampagne, um die Geschlossenheit von Volk und Partei zu zementieren. Im 70. Jahr der Staatsgründung sollen sich alle auf ihre "revolutionären Ursprünge" besinnen und dabei natürlich nicht an den heiklen Jahrestag des Tiananmen-Massakers vom 4. Juni 1989 zurückdenken. Xi fuhr auf Reisen tief ins Land zum Ausgangspunkt des "Langen Marsches", über den Maos Kommunisten 1936 ihre Herrschaft über China eroberten. Jetzt stehe China vor seinem nächsten langen Marsch zur Wiedergeburt als Weltmacht in den nächsten Jahrzehnten.

Wink mit dem Zaunpfahl

Dabei machte Xi auch einen Abstecher zu einem Bergbau- und Förderunternehmen für seltene Erden, worunter eine Reihe von Mineralien fallen, ohne die heutigen Hightech-Industrien nicht auskommen. China besitzt mit 30 Prozent der Vorräte und 80 Prozent der in hochkomplizierten Verfahren extrahierten seltenen Erden ein weltweites Monopol bei der Vermarktung. Es war ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass strategische Rohstoffe zum Teil des Handelskrieges werden könnten.

Begleitet wurde Xi auf seinen Reisen von Vizepremier Liu He, dem chinesischen Chefunterhändler mit den USA. Auch darin versteckte sich eine Botschaft. Liu erfreut sich weiterhin der Gunst des Parteichefs. Trotz aller drohenden Gesten signalisiert Peking, dass seine Tür für weitere Verhandlungen mit Trump offensteht. Es bleibt ihm offenbar auch keine andere Wahl. (Johnny Erling aus Peking, 27.5.2019)