Patienten fiebern in einem aus Holz gebauten Krankenhaus. Und einer träumt – von den Hunden Dracula und Vampir und von einer Saurierskulptur, die eine Kette aus gelben Blumen trägt. Oder von einem Denkmal des thailändischen Diktators Sarit Thanarat, der sein Land zwischen 1959 und 1963 mit eiserner Faust regierte. Das Monument steht in Khon Kaen, Hauptstadt der Region Isan im Nordosten Thailands.

In Khon Kaen ist auch Apichatpong Weerasethakul aufgewachsen. Er gilt als Thailands wichtigster Filmregisseur. Für Uncle Boonmee erinnert sich an seine früheren Leben (2010) erhielt er in Cannes die Goldene Palme. Jetzt zeigt Weerasethakul bei den Festwochen im Theater an der Wien seine bemerkenswerte Filmperformance Fever Room.

Vier Leinwände

Das Publikum sitzt auf der zur geschlossenen Blackbox umgewandelten Bühne. Projiziert wird frontal und seitlich auf insgesamt vier Leinwände. Einen Teil des Filmmaterials hat Weerasethakul von seinem vielgelobten Film Cemetery of Splendour (2015) abgezweigt. Fever Room ist im Jahr darauf entstanden: als Performance aus Licht und Laufbildern, die ganz ohne Liveperformer auskommt.

Anfangs wird das Publikum mit Montagen nüchterner Motive in eine Twilight-Zone aus dokumentarisch wirkenden Erinnerungsfragmenten entführt: Menschen in einer Klinik, Männer, die auf einen breiten Fluss hinausschauen, Rauchschwaden über einem Wäldchen, eine lange Schiffsfahrt auf dem Fluss und Meereswellen, die von drei Seiten des Bühnenraums ans Ufer schwappen.

Dazwischengeschnitten sind Bilder aus einer Höhle, in der ein einsamer, vermummter Mann umherirrt. Er tastet über Tropfsteine, findet Schneckenhäuser, entdeckt Zeichnungen an der Wand. Nachts, bei den Reliefs des Denkmals für den Diktator, leuchtet eine Glasballonlaterne. Sie ist auch am Heck des Schiffs zu sehen, das seine Passagiere den Fluss hinauffährt.

Großartiger Lichttunnel

Als sie zum dritten Mal auftaucht, hat sich die Wirklichkeit in dieser Performance radikal verändert. Der eiserne Vorhang der Bühne fährt hoch und gibt den Blick auf den Publikumsraum des Theaters an der Wien frei. Regen rauscht, Donner grollen, ein kühler Wind haucht die Zuschauer an. Die Sitzreihen und Logen liegen im Dunkeln, nur die besagte Lampe flackert, von Nebelschwaden umwogt. Oben im dritten Rang blitzt ein Projektor auf und schickt ein vertikal rotierendes Lichtstrahlenbündel auf das Publikum nieder. In den Nebeln, die das Theater füllen, entsteht ein spektakulärer Lichttunnel.

So "beamt" uns Weereasethakul in die Imaginationsräume des Unbewussten – und einer von Geistermythen durchzogenen Kultur, mit deren Eigenheiten er bereits in Uncle Boonmee ein unheimliches Geschichtengeflecht gewoben hat. Zugleich spielt der Regisseur in Fever Room mit den Schatten und dem Feuer von Platons Höhle: dem Gefangensein des Individuums in seinen Einbildungen.

Die Sicherheit und Intensität, mit der dieser Künstler die Medien Film, Live-Aufführung und Installation in einen "umgedrehten" Theaterraum einfügt, ist schlicht atemberaubend. (Helmut Ploebst, 27.5.2019)