Auf SPD-Chefin Andrea Nahles dürften nach den beiden Wahlen harte Zeiten zukommen.

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Große Freude bei den Grünen.

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Die Umfragen hatten der SPD ja schon länger einen unerfreulichen Wahlsonntag vorausgesagt. Doch als dann die ersten Trends bekannt wurden, da war dies für viele doch ein Schock, und zwar ein doppelter.

Die SPD verlor bei den EU-Wahlen massiv, sie stürzt auf 15,8 Prozent ab. Erstmals ist sie damit bei einer bundesweiten Wahl nur noch auf Platz drei, hinter der Union und auch hinter den Grünen.

SPD-Debakel in Bremen

In Bremen, wo Landtagswahlen stattfanden, gab es ebenfalls nichts zu feiern, die SPD verlor mehrere Punkte, lag in den Hochrechnungen bei 24,8 Prozent und erstmals nach 73 Jahren nur auf Platz zwei hinter der CDU.

"Die Ergebnisse sind für die SPD extrem enttäuschend", sagte SPD-Chefin Andrea Nahles. Sie meinte auch: "Ich sage Richtung Grüne: Glückwunsch! Ich sage Richtung SPD: Kopf hoch! Wir nehmen die Herausforderung an."

Verluste in Europa erlitt auch die Union, sie kommt nur noch auf 28,9 Prozent – bei der Europawahl 2014 waren es 35,4 Prozent und bei der jüngsten Bundestagswahl 32,9 Prozent. Dafür wurde sie in Bremen stärkste Kraft.

Union froh über Platz eins

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer war trotz der EU-Verluste guter Dinge und erklärte, die Union sei mit dem Ziel angetreten, bei der EU-Wahl stärkste Partei zu werden. Das sei gelungen, man habe nun ein starkes Mandat, EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber (CSU) bei der Wahl zum Kommissionspräsidenten zu unterstützen. Und "AKK" machte klar: "Das ist die Erwartung, die wir auch an die SPD haben."

Grund zur Freude hingegen haben die Grünen, die sowohl in Bremen als auch bei der EU-Wahl zulegen konnten. Besonders positiv ist für sie das Ergebnis bei den EU-Wahlen: Sie schafften eine Verdoppelung der Stimmen auf 20,5 Prozent und liegen somit vor der SPD. In Bremen sind die Grünen nun "Königsmacher". Sie können entweder Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) bei seinem Wunsch nach Rot-Rot-Grün unterstützen. Oder sie können den Avancen von CDU-Mann Carsten Meyer-Heder nachgeben und gemeinsam mit ihm sowie der FDP ein Jamaika-Bündnis bilden.

Gespannt war man auf das Resultat für die AfD, hatte sich diese doch nach dem Auftauchen des "Ibiza-Videos" mit der FPÖ solidarisiert. In Bremen jedoch konnte die AfD das Ergebnis von vor fünf Jahren (5,5 Prozent) nicht signifikant verbessern, bei den EU-Wahlen legte sie nur um drei Punkte zu und blieb unter dem Resultat der Bundestagswahl von 2017. Damals erreichte sie 12,6 Prozent, jetzt sind es nur rund 11 Prozent. "Ja, Strache hat uns geschadet", räumte Partei- und Fraktionschef Alexander Gauland ein.

Am Montag kommen die Parteispitzen zu ihren Gremiensitzungen zusammen. Besonders aufmerksam wird man diese natürlich bei der SPD verfolgen. Andrea Nahles ist seit gut einem Jahr Partei- und Fraktionschefin. Viele hatten große Hoffnungen in die erste Frau an der Spitze gesetzt, doch diese haben sich nicht erfüllt.

Bei den jungen Wählerinnen und Wählern zeigt sich deutlich, wer die Nummer eins ist. Die Grünen haben 20 Prozentpunkte Vorsprung vor der nächststärksten Partei.

Zwar hatte sie sich zwischenzeitlich in den Umfragen verbessern können, als sie sich von Teilen der "Agenda 2010" von Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) distanzierte. Doch offensichtlich kommt der veränderte Kurs für eine Trendwende nicht gut genug an. Nun könnte bei der SPD etwas in Bewegung kommen.

Gerüchte um Martin Schulz

Dass Katarina Barley aus der Regierung ausscheidet, ist klar. Die Justizministerin war Spitzenkandidatin für die EU-Wahl und wechselt nun in die EU-Politik.

Es hält sich hartnäckig das Gerücht, dass der ehemalige SPD-Chef Martin Schulz auf Nahles’ Amt als Fraktionschefin schielt und bereits seine Truppen in der Fraktion hinter sich versammelt. Und Finanzminister Olaf Scholz (SPD), so heißt es, hat seine Ambitionen auf den Parteivorsitz noch nicht begraben.

Drei führende Vertreter des linken Parteiflügels fordern einen Kurswechsel. "Wir können bei zentralen Themen keine Blockaden durch CDU und CSU mehr dulden", schreiben Parteivize Ralf Stegner, Juso-Chef Kevin Kühnert und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch laut "Spiegel" in einem Positionspapier. "Die GroKo muss liefern, wenn diese Koalition Bestand haben soll."

Konkret fordern die drei Parteilinken noch vor Ablauf des Jahres ein Klimaschutzgesetz, ein neues Berufsbildungsgesetz, die Durchsetzung der Grundrente, ein Einwanderungsgesetz, Fortschritte bei der Digitalsteuer sowie eine Einigung auf neue, restriktive Rüstungsexportregeln.

Mit Spannung wird auch erwartet, wie CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer mit dem Ergebnis umgeht. Sie hat für viele überraschend für Anfang Juni eine Vorstandsklausur der CDU angesetzt. Offizielle Begründung: Man will über den politischen Kurs angesichts schrumpfender Steuereinnahmen beraten.

Doch gemunkelt wurde auch, dass bei der Klausur der Wechsel von Angela Merkel zu "AKK" im Kanzleramt vorbereitet werden soll. Das jedoch hat Merkel dementiert. Überraschungen aber sind nicht ausgeschlossen. Denn Kramp-Karrenbauer leidet zunehmend darunter, dass sie kein Ministeramt und kein Mandat im Bundestag hat. (Birgit Baumann aus Berlin, red, 27.5.2019)