Bild nicht mehr verfügbar.

Marine Le Pen liegt laut aktuellen Prognosen knapp vor ihrem größten innenpolitischen Widersacher, Emmanuel Macron.

Foto: REUTERS/Charles Platiau

Paris – Sieg nach Punkten für Marine Le Pen. Wie das französische Innenministerium am frühen Montagmorgen nach Auszählung fast aller Stimmen in Paris mitteilte, kam Le Pens Partei Rassemblement National (RN) auf 23,4 Prozent der Stimmen. Die aus dem Front National hervorgegangene Formation wird damit bei einer ansehnlichen Stimmbeteiligung nicht zum ersten Mal stärkste Partei Frankreichs.

Die Liste Renaissance von Staatschef Emmanuel Macron muss sich mit dem zweiten Platz begnügen, sie erhält 22,3 Prozent der Stimmen. Das ist an sich kein katastrophales Resultat, wenn man in Rechnung stellt, dass Europawahlen in Frankreich meist zum Abstrafen des Regierungslagers benutzt werden. Doch Macron hatte die Wahl selbst zu einem Duell mit Le Pen hochstilisiert. "Er wollte diese Wahl zu einem Plebiszit für oder gegen ihn machen", erklärte RN-Listenchef Jordan Bardella. "Das ist ihm gelungen: Seine Politik wurde zurückgewiesen."

Le Pen verlangte am Sonntagabend "zumindest" die Auflösung der Nationalversammlung. Vor Tagen hatte sie noch erklärt, Macron müsse zurücktreten, wenn er die Wahlen verliere. Diese Option ist alles andere als realistisch: Macron wird in seiner Funktion von der Präsidialverfassung der Fünften Republik geschützt, und seine Partei verfügt in der Nationalversammmlung über die absolute Mehrheit.

Schwieriger Reformkurs

Sicher scheint hingegen, dass es der Staatspräsident noch schwerer haben wird als bisher schon, seinen Reformkurs durchzuziehen. Das Wahlprogramm des RN deckt sich in weiten Teilen mit dem der Gelbwesten-Bewegung, die der Regierung in den letzten Monaten stark zugesetzt hat. Diese außerparlamentarische Opposition wird Macron weiter zu schaffen machen.

Allzu groß war die Enttäuschung im Macron-Lager allerdings nicht. Wie von ihm gewünscht läuft die Entwicklung der französischen Politik auf eine Polarisierung zwischen rechten "Nationalen" und progressiven "Europäern" hinaus. Diese Konstellation spielt letztlich dem Präsidenten in die Hände: Le Pens RN ist bis heute parteipolitisch isoliert und ohne Bündnispartner nicht in der Lage, bei nationalen Wahlen mit einer Mehrheit zu gewinnen.

Macron hat ferner gute Karten, im Europaparlament mit der bisher liberalen Alde-Fraktion eine dritten Kraft gegen Bürgerliche und Sozialisten zu bilden. In diesem Mitteblock dürften die Macronisten beträchtlichen Einfluss haben. Das ist für Macron immerhin ein europapolitischer Trost für die innenpolitische Niederlage.

Grüner Überraschungserfolg

Den dritten Platz im Wahlausgang nehmen mit 13,4 Prozent in Frankreich zur allgemeinen Überraschung die Grünen ein. Ihr Listenführer Yannick Jadot meinte, die Jungwähler Europas hätten in mehreren Ländern gezeigt, was sie wollten – den Vorrang der Ökologie bei sämtlichen Regierungsentscheiden.

Schwer eingebrochen sind die Linken und die Bürgerlichen. Die konservativen Republikaner sackten auf 8,5 Prozent ab. Die Sozialisten unter Raphaël Glucksmann und das "Unbeugsame Frankreich" von Jean-Luc Mélenchon mussten sich mit je 6,6 Prozent der Stimmen zufriedengeben. (Stefan Brändle aus Paris, 26.5.2019)