Mit 14 treffen Jugendliche eine wichtige Entscheidung: arbeiten oder weiter in die Schule gehen. Knapp 40 Prozent der 14-Jährigen entscheiden sich nach der Schulpflicht für eine Lehre. Die Tendenz ist steigend. Laut Lehrlingsstatistik der Wirtschaftskammer haben im vorigen Jahr 34.402 Lehrlinge eine Berufsausbildung begonnen, das ist ein Plus von zwei Prozent. Zurzeit würden aber viele Firmen noch mehr Lehrlinge aufnehmen, wenn es diese gebe, heißt es aus der Wirtschaftskammer. Der Bedarf sei höher als der aktuelle Anstieg der Lehrlingszahlen, insbesondere außerhalb der Städte. Bei großen Lebensmittelhändlern beispielsweise bleiben nach wie vor jedes Jahr hunderte Lehrstellen unbesetzt.

Aktuell sind beim Arbeitsmarktservice (AMS) knapp 3000 offene Lehrstellen österreichweit gemeldet. Kleine Lehrlingsausbilder haben da schnell das Nachsehen, denn große Unternehmen lassen sich immer mehr einfallen, um gute Leute zu finden. Kleine Betriebe, die oft nur einen Lehrling pro Lehrjahr ausbilden können, können da nicht mithalten. Spar, der größte privatwirtschaftliche Lehrlingsausbilder, lockt beispielsweise mit Zusatzprämien und einem Gratisführerschein. Die Baumarktkette Hornbach hat die Lehrlingsentschädigung deutlich erhöht. Im ersten Lehrjahr bekommen Lehrlinge 720 Euro. Und für alle Mitarbeiter, die länger als ein Jahr im Unternehmen sind, gibt es dort eine sechste Urlaubswoche.

Mehr Geld

Lehrlinge in der Elektronikindustrie sind besonders gefragt, mit einer durchschnittlichen Erhöhung der Lehrlingsentschädigung von 15 Prozent können sich Lehrlinge seit 1. Mai über ein stattliches Plus freuen. Aber auch das Ergebnis der Kollektivvertragsverhandlungen für den Handel dürfte Lehrlinge freuen. Durchschnittlich steigen die Lehrlingsentschädigungen um acht Prozent. Im ersten Lehrjahr beträgt das Entgelt 650 Euro und klettert dann auf 1200 Euro.

Melina Franz macht eine Lehre zur Tierpräparatorin im Naturhistorischen Museum in Wien.
Foto: Heribert Corn

Vieles wurde bereits unternommen, um die Lehre attraktiver zu gestalten, weitere Maßnahmen werden bereits getestet oder sind in Planung. Dazu gehört auch die Möglichkeit zur Lehre nach der Matura. In Deutschland beginnen immerhin knapp 30 Prozent der Maturanten eine Lehre. "In Österreich sind wir hier auf niedrigem Niveau, der Anteil ist aber stark gestiegen", sagt Alfred Freundlinger, stellvertretender Abteilungsleiter Bildungspolitik in der Wirtschaftskammer und in dieser Funktion für die duale Berufsausbildung zuständig. Der Anteil liege in Österreich nur bei 2,2 Prozent. Für Freundlinger sei ein Grund für das verhaltene Interesse in der praktischen schulischen Ausbildung in Österreich zu finden, die es in der Form in Deutschland nicht gibt. "Aber natürlich wollen wir diese Möglichkeit weiterentwickeln", sagt Freundlinger.

Konkretes dafür bietet der aktuelle Kollektivvertrag der Elektro- und Elektronikindustrie. Viele Ausbildungsinteressierte erhofft sich die Branche durch die neuen Möglichkeiten der dualen Ausbildung. Das Konzept wurde von Siemens und der FH St. Pölten entwickelt und erprobt und richtet sich an Personen mit Maturaabschluss. Sie können eine verkürzte Lehrausbildung in einem Mitgliedsunternehmen des Fachverbands der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI) und gleichzeitig ein technisches Hochschulstudium absolvieren. Dafür gibt es monatlich knapp 1900 Euro Mindestgehalt für die Dauer der verkürzten Lehrausbildung. Mit diesem Modell sollen Personen angesprochen werden, die keine technische Vorbildung haben, aber die Chance in diesem Bereich erkannt haben.

Neue, digitale Lehrberufe starten

Die duale Ausbildung attraktiver zu gestalten ist auch Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) ein Anliegen. Deshalb wird gerade das Berufsausbildungsgesetz überarbeitet. Schon jetzt werden bestehende Lehrberufe laufend aktualisiert oder gänzlich neue Ausbildungsmöglichkeiten entwickelt. Der Entwurf sieht vor, dass jede Lehrausbildung künftig mindestens alle fünf Jahre an die Gegebenheiten der Wirtschaft angepasst wird. Unter den neuen Lehrberufen, mit denen im vergangenen Jahr gestartet wurde, finden sich aber nicht nur technische oder digitale Berufe. So gehören Polsterer, Rauchfangkehrer oder Maskenbildner genauso zu den neuen bzw. grundlegend modernisierten Lehrberufen wie E-Commerce-Kaufmann/-frau oder Applikationsentwicklung/Coding. Derzeit werden rund 50 E-Commerce-Kaufleute und knapp 400 Applikationsentwickler ausgebildet.

Nomen est Omen: Stefan Vielnascher macht gerade die Ausbildung zum Konfektmacher.
Foto: Ayham Yossef

Auch 2019 sollen weitere neue, digitale Lehrberufe starten, und fünf bekannte Lehrberufe sollen von überholten Inhalten befreit und an die aktuellen Möglichkeiten angepasst werden. Überarbeitet werden die Lehrberufe Gastronomiefachmann/Gastronomiefachfrau, Koch/Köchin, Restaurantfachmann/Restaurantfachfrau, Friseur (Stylist) / Friseurin (Stylistin) und der Lehrberuf Prozesstechnik. In den überarbeiteten Lehrberufen werden aktuell rund 12.000 Lehrlinge ausgebildet. Vonseiten der Industrie würde man sich aber eine noch raschere Umsetzung der Weiterentwicklung der Berufsbilder wünschen. Immerhin liegt die Sparte Industrie an zweiter Stelle bei den Lehrlingen. Die meisten Lehrlinge (45.744) werden in der Sparte Gewerbe ausgebildet, danach folgt die Industrie mit 15.754 Lehrlingen, an dritter Stelle liegt der Handel mit 14.957 Lehrlingen.

Auslandserfahrungen

Die Türen zu Auslandserfahrungen sollen auch für Lehrlinge weiter aufgehen. Während ein Auslandsaufenthalt für Studierende bereits die Regel ist, nehmen Lehrlinge diese Möglichkeit nur selten in Anspruch. Nur knapp vier Prozent aller Auslandsaufenthalte, die über den österreichischen Austausdienst (Oead) abgewickelt werden, gehen an Lehrlinge, die Berufserfahrung im Ausland sammeln.

Nachdem Mitte April die Höhe der Erasmus-Stipendien für Studierende ab dem kommenden Studienjahr um 60 Euro pro Monat angehoben wurden, soll als nächster Schritt die Lehrlingsmobilität angegangen werden, kündigte der zuständige Minister, Heinz Faßmann, an. Denn es würden nicht nur Lehrlinge persönlich davon profitieren, sondern auch das jeweilige Unternehmen. "Und um diese europäische Initiative auch bei den Lehrlingen zu einem Erfolg werden zu lassen, sind wir gemeinsam mit den Unternehmen gefordert, die dahingehenden Rahmenbedingungen zu verbessern", ergänzt Faßmann weiter. Unabhängig von der Möglichkeit eines Auslandsaufenthalts soll künftig bei der Ausbildung jedenfalls mehr Wert auf eigenverantwortliches Arbeiten gelegt werden, heißt es im Wirtschaftsministerium. (Gudrun Ostermann, 28.5.2019)