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Matteo Salvini schreckte – mit Rosenkranz in der Hand – nicht davor zurück, seinen Wahlsieg der Wirkungskraft der Gottesmutter zuzuschreiben.

Foto: Reuters / Alessandro Garofalo

Für die Lega 34 Prozent, für die Fünf-Sterne-Bewegung 17 Prozent: So stehen die beiden italienischen Regierungsparteien nach den Europawahlen 2019 da. Bei den Parlamentswahlen vom März 2018 – also vor nur 15 Monaten – war das Kräfteverhältnis noch umgekehrt gewesen: Lega 17 Prozent, Fünf Sterne 32 Prozent. Zwar war das neue Resultat nicht überraschend, spektakulär ist es trotzdem: Einen derartigen Umsturz in so kurzer Zeit hat es in der Geschichte der italienischen Republik noch nie gegeben.

In Rom sind sich die Beobachter einig: Das Resultat der Europawahl kann für die Regierung nicht ohne Folgen bleiben. Salvini war schon bisher der starke Mann der Regierung gewesen – und mit den 34 Prozent der Europawahl im Rücken wird der "Capitano" erst recht zum unangefochtenen Dominator. Der nicht nur partei-, sondern auch farblose Ministerpräsident Giuseppe Conte, der bisher versucht hatte, einen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Interessen der Koalitionspartner zu suchen, wird in Zukunft nicht einmal mehr diese Vermittlerrolle ausfüllen können.

Doch vorläufig dürfte Conte wenigstens seinen Posten behalten: Salvini versicherte schon, dass er und die Lega nicht auf neue Sessel in der Regierung aus seien.

Noch dominanter als bisher

Der Lega-Chef wird als Innenminister noch mehr als bisher die politische Agenda der Regierung bestimmen – und das hat er auch umgehend verlautbart: "Ich freue mich, dass die Wähler unsere Partei prämiert hat. Das gibt uns mehr Kraft, um einige Dinge anzupacken, etwa die Erneuerung der Infrastruktur und die Pauschalsteuer", erklärte Salvini noch am Wahlabend. Mit Infrastruktur meint er den 57 Kilometer langen Basistunnel zwischen Turin und Lyon, den Protestbewegungen bisher – zumindest auf der italienischen Seite – verhindern konnten. Das Nein zu derartigen "unnützen" Großprojekten gehört zum Markenkern der "Grillini", Salvinis ungleichem Partner.

Es wäre nicht das erste Mal, dass sich die Fünf Sterne verleugnen müssten. Im ersten Jahr dieser Regierung hat Salvini mit der von ihm verfügten Schließung der Häfen für Schiffe mit geretteten Flüchtlingen in der italienischen Bevölkerung viel Zustimmung erhalten – aber gleichzeitig den linken Flügel des Koalitionspartners verschreckt. Die unerfahrenen Grillini (so benannt nach Beppe Grillo, ihrem Gründer) wurden außerdem abgestraft, weil sich ihr Wahlversprechen, das bedingungslose Grundeinkommen, als Mogelpackung erwies: Es ist alles andere als bedingungslos und liegt fast immer weit unter den versprochenen 780 Euro monatlich. Auch das hat die Protestbewegung massenhaft Stimmen gekostet.

Innenminister Salvini und Arbeits- und Wirtschaftsminister Luigi Di Maio (Fünf Sterne) haben am Wahlabend zwar versichert, dass ein Bruch der Koalition nicht in Erwägung gezogen werde. Doch der gedemütigte und intern unter großen Druck geratene Di Maio wird sich der Frage stellen müssen, ob die Zusammenarbeit mit dem dominanten, triumphierenden Salvini die Bewegung nicht noch vollends in die politische Bedeutungslosigkeit führen wird.

Partner unter Druck

Denn der Lega-Chef hat neben dem Basistunnel noch andere Projekte angekündigt, die in den Augen der Fünf Sterne inakzeptabel sind: allen voran die Verwirklichung einer finanziellen Teilautonomie der wirtschaftlich starken Regionen des Nordens zulasten des armen Südens, wo Di Maios Wählerreservoir zu Hause ist.

Das Problem Di Maios besteht darin, dass die Grillini keine Option auf eine alternative Regierungskoalition besitzen. Ganz anders Salvini: Silvio Berlusconis Forza Italia kam bei der Europawahl auf knapp neun Prozent, die postfaschistischen Fratelli d'Italia konnten sich auf 6,5 Prozent steigern. Zusammen erhielt das Rechtslager also beinahe 50 Prozent der Stimmen. Tatsächlich forderten sowohl Exponenten der Berlusconi-Partei als auch Giorgia Meloni bereits vorgezogene Neuwahlen, bei denen "die Farce mit den Fünf Sternen an der Regierung" endlich beendet würde, wie Meloni betonte.

In den kommenden Wochen wird man sehen, ob Salvini den Sirenenklängen seiner potenziellen neuen Koalitionspartner erliegen wird. Aber er hätte in der Tat beste Chancen, auch bei Neuwahlen zu triumphieren und Premier einer neuen Rechtsregierung zu werden. In Rom kursiert bereits ein möglicher Wahltermin: Sonntag, 15. September 2019. (Dominik Straub aus Rom, 27.5.2019)