Mit 76 Jahren noch einmal durchgestartet: Ernest Maragall von der "Republikanischen Linken Kataloniens" ist neuer Bürgermeister von Barcelona – wie schon sein Bruder Pasqual von 1982 bis 1997.

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Bei der Europawahl gewannen drei Politiker der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung Sitze im Straßburger EU-Parlament: Der ehemalige katalanische Regierungschef Carles Puigdemont und sein einstiger Gesundheitsminister Toni Comín ziehen für die Liste "Frei für Europa" ins EU-Parlament ein; außerdem der ehemalige Ex-Vizepremier Oriol Junqueras ("Jetzt Republiken").

Dieser sitzt seit über einem Jahr in Untersuchungshaft. Er steht zusammen mit elf weiteren Angeklagten in Zusammenhang mit dem von Madrid untersagten Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober 2017 vor Gericht. Ihm drohen 25 Jahre Haft.

Puigdemont und Comín gehören zu denen, die sich rechtzeitig vor dem Verfahren ins Ausland abgesetzt haben. Beide leben in Brüssel. Ob und wie Puigdemont sein Mandat antreten kann, war zunächst unklar. Nach spanischem Wahlrecht müssen alle gewählten Europaabgeordneten vor Mandatsantritt in Madrid auf die Verfassung schwören. Bei einer Einreise in Spanien würden dem Ex-Journalisten aber eine Festnahme, ein Prozess wegen Rebellion und bis zu 30 Jahre Haft drohen. Puigdemont kündigte an, er werde die Auflage des spanischen Wahlrechts beim Europäischen Gerichtshof anfechten.

Streit zwischen Puigdemont und Comín

Die beiden ehemaligen Weggefährten Puigdemont und Junqueras streiten seit Monaten um die Vorherrschaft in der Unabhängigkeitsbewegung. Das Wahlvolk weigert sich, diesen Streit endgültig zu entscheiden.

Zwar war Puigdemonts Liste klarer Sieger bei den Europawahlen in Katalonien, während Junqueras hinter den Sozialisten auf Platz drei kam. Doch bei den gleichzeitig abgehaltenen Kommunalwahlen sieht alles ganz anders aus: Hier gewann Junqueras' "Republikanische Linke Kataloniens" (ERC) klar gegen Puigdemonts "Gemeinsam für Katalonien" (JxCat), die bisher die meisten Gemeinden in der nordostspanischen Region hielt.

Wie schon früher der Bruder

Größter Gewinn für die ERC ist die katalanische Hauptstadt Barcelona. Dort gewann der 76-jährige Ernest Maragall die Wahlen ganz knapp gegen die bisherige linksalternative Bürgermeisterin Ada Colau (45). Es ist der Sieg eines Berufspolitikers über eine Aktivistin. Maragall gehörte früher den Sozialisten an. Er war Abgeordneter im katalanischen Parlament, Europaabgeordneter und vor allem die rechte Hand seines Bruders Pasqual, als dieser von 1982 bis 1997 Bürgermeister von Barcelona war. Nicht zuletzt das half Maragall, die Wahl für sich zu entscheiden, wenn auch nur mit 5000 Stimmen Vorsprung.

Der Verlust des Bürgermeisteramtes von Barcelona ist einer der schweren Schläge, die linksalternative Bürgerlisten rund um Unidas Podemos hinnehmen mussten. Bis auf Cádiz im Süden Spaniens und Valencia im Osten wird künftig keine Stadt mehr von einem "Rathaus des Wandels" regiert.

Keine Absolute in Madrid

Das gilt auch für Madrid. Zwar gewann dort Bürgermeisterin Manuela Carmena erneut – aber es fehlen ihr zwei Stadträte zur absoluten Mehrheit. Jetzt wird der konservative Partido Popular in Koalition mit der rechtsliberalen Ciudadanos und der rechtsextremen Vox die Geschicke der Stadt lenken. Dieser Umstand sogt für Streit bei den Cs in Barcelona: Manuel Valls, einst französischer Premierminister, droht aus der Partei Ciudadanos auszutreten, der er sich erst vor wenigen Wochen angeschlossen hatte: "Jede Allianz mit Vox wäre für mich ein Grund für einen totalen und endgültigen Bruch mit der Partei", erklärte Valls am Sonntagabend.

Als Valls anheuerte, gaben sich die Cs noch betont liberal. Jetzt, nur wenige Monate später, glichen ihre Parolen vielerorts denen der radikalen Rechten. Valls, der sich ernsthaft Hoffnungen auf das Bürgermeisteramt in der Heimat seiner Familie, in Barcelona, gemacht hatte, erzielte nur ernüchternde sechs Stadträte. (Reiner Wandler aus Madrid, red, 27.5.2019)