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Die SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner ist unsichtbar, wenn Präsenz angezeigt wäre.

Foto: REUTERS/Lisi Niesner

Die SPÖ-Vorsitzende hat keinen Zug zum Tor, ist unsichtbar, wenn Präsenz angezeigt wäre, versteht nichts vom rechten Augenblick, von Inszenierung.

Der ÖVP-Vorsitzende versteht zu viel von Inszenierung. Er spult im Augenblick der höchsten Dramatik dieser Republik sein eingelerntes Programm ab: "Stabilität"…"staatspolitische Verantwortung"…"Ich und der Bundespräsident"…

Damit hat er die EU-Wahlen gewonnen, damit wird er vermutlich die Wahlen im Herbst gewinnen. Auch wenn er jetzt gestürzt wurde (ein ganz normaler parlamentarischer Vorgang). Es gibt mehr Österreicher, die sich dadurch in Sicherheit wiegen, als solche, die die Frage stellen: Was, lieber Sebastian, soll das eigentlich heißen? Was willst du eigentlich mit diesem Österreich jenseits von Schlagworten wie "Veränderung"? Wer bist du im Inneren deiner Persönlichkeit? Gibt es da mehr als ein kommunikatives Naturtalent mit einem gut verborgenen, aber unbedingten Willen zur totalen Kontrolle?

Hang zur Domination

Die Antwort kann man inzwischen geben. Sebastian Kurz ist ein äußerst begabter Politiker mit einem überaus starken Hang zur Domination – der eigenen Partei, der politischen Szene, des ganzen Landes. Am liebsten hätte er eine Alleinregierung, und nach dem Hinausschmiss der FPÖ hatte er sie auch ein paar Tage. Das ist auch der Grund, warum der Misstrauensantrag der Opposition eine innere Logik hat – wie es der Politologe Peter Filzmaier sagte: Es war unmöglich für die SPÖ und auch für die FPÖ, nichts zu tun. Da hätten sie Kurz auch gleich zum Wahlsieg durchwinken können.

Sebastian Kurz hat keine besondere ideologische Tiefe (Aussage eines alten ÖVPlers). Er findet nur, dass "Sozialisten" irgendwie zu viel Macht in Österreich haben und dass die "kleinen Leute" mit mehr Eigenständigkeit und weniger Sozialstaat besser dran wären. Er ist zum Beispiel ernstlich dafür, dass die Gemeindewohnungen in Wien von ihren Mietern gekauft werden sollen. Er will ein Volk von Eigentümern schaffen. Dass die Realität schon längst über diese Theorie hinweggegangen ist; dass in Großbritannien und auch in Deutschland lediglich Investorenkonzerne die Sozialwohnungen aufgekauft haben, hat er noch nicht mitbekommen. Oder will es, angesichts der Wahlspenden der Immobilienfirmen, nicht wissen.

Österreich vertrüge durchaus einen Schuss mehr Wettbewerb. Was aber Kurz anstrebt(e), ist/war die totale Ausschaltung der Vertreter des Sozialstaates im Gefüge der Republik. Das ist Sabotage an der Erfolgsstory dieses Staates.

Korruptionsanfällig

Kurz hat(te) auch kein Sensorium für die rechtsextreme Natur seines ehemaligen Koalitionspartners FPÖ. Die zeigen sich immer wieder als rechtsextrem, inkompetent und korruptionsanfällig.

Kurz wird es, wenn es opportun erscheint oder wenn es nicht anders geht, noch einmal mit der FPÖ versuchen. Das wird entweder wieder scheitern (an der Natur der FPÖ) oder zu einem Orbánistan in Österreich führen. Die im Moment erkennbare positive Alternative besteht in einer Koalition von Türkis mit den Neos oder (unwahrscheinlich) mit den Grünen oder einer Dreierkoalition. Die SPÖ erscheint abgemeldet. Sie hat nicht nur eine Parteivorsitzende, die es nicht kann, sondern auch die Soziologie gegen sich: Die autoritär denkenden Hackler gehen zur FPÖ, die liberalen Gebildeten zu den Grünen (übrigens europaweit).

Österreich wird nicht zugrunde gehen, wenn es nun bis tief in den Herbst hinein eine Übergangsregierung gibt. Vielleicht erleben wir mit dem Übergangskanzler, der Übergangskanzlerin eine Überraschung. Aber die Schändung des Gedenkens an die Holocaust-Überlebenden zeigt: Wir werden um unsere demokratischen Verhältnisse kämpfen müssen. (Hans Rauscher, 27.5.2019)

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner stellt den Misstrauensantrag. Ihre Rede quittiert man im ÖVP-Sektor mit Lachen und Johlen.
DER STANDARD