Wenn Kinder Depressionen haben, verändern sich ihre Bewegungsmuster. Mit einem Sensor könnte die Diagnostik unterstützt werden.

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Nicht nur Erwachsene, auch Kinder können unter Depressionen und Angststörungen leiden. Als wäre das nicht schlimm genug, fällt es Eltern, Lehrern und Ärzten oftmals besonders schwer, die seelischen Probleme der Kinder zu erkennen. Denn bei sogenannten internalisierenden Störungen in der Kindheit leiden die Kleinen oft unerkannt im Stillen.

Die Symptome, die sich in negativen Emotionen und Gedanken äußern, sind dabei zu sehr nach innen gerichtet, als dass man sie leicht von außen entdeckt. Rund jedes fünfte Kind ringt mit einer solchen internalisierenden Störung. Unbehandelt kann sie später unter anderem zu Drogenmissbrauch und einem erhöhten Suizidrisiko führen.

Dennoch gibt es auch Symptome, die sich von außen wahrnehmen lassen: Bei der Angststörung legen Kinder etwa ein extremes Vermeidungsverhalten an den Tag. Sie scheuen soziale Situationen, aber auch Situationen, die Ängste auslösen, und ziehen sich zurück. Um internalisierende Störungen bei Kindern zu diagnostizieren, werden für gewöhnlich klinische Interviews mit dem Kind und den Bezugspersonen durchgeführt – mittels standardisierten Fragebögen. Eventuell werden dann noch Einschätzungen von Lehrern hinzugezogen.

Schnellere Diagnose

Nun haben amerikanische Forscher einen Schnelltest entwickelt, der die Diagnose erleichtern und beschleunigen soll. Für eine Studie im Fachblatt Plos One hat ein Team um Ryan McGinnis von der University of Vermont einen Bewegungssensor programmiert und mit rund 60 psychisch beeinträchtigten und gesunden Kindern im Alter von drei bis acht Jahren getestet. Zunächst führte der Versuchsleiter die Kleinen in einen halbdunklen Raum. Dort stand ein verdecktes Terrarium. Mit einem schnellen Ruck entfernte der Versuchsleiter eine Decke und holte eine Schlange aus dem Terrarium. Nach einem kurzen Schrecken klärte er die Kinder auf: Es handelte sich um eine unechte Schlange. Anschließend ermunterte der Versuchsleiter die Kleinen, mit dem falschen Tier zu spielen.

Tragbarer Sensor

Die Forscher hatten den Kindern zuvor den tragbaren Bewegungssensor umgebunden, der auch subtilste Bewegungsmuster auswertete, die mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen waren. Der Algorithmus des Bewegungssensors brauchte nur rund 20 Sekunden, um eine Diagnose auszuspucken. Wie sich herausstellte, neigten Kinder mit einer Angststörung oder Depression eher dazu, sich von der potenziellen Bedrohung wegzudrehen, als gesunde Kinder. Auf der Grundlage solcher Bewegungsmuster konnte der Sensor gesunde und Kinder mit psychischen Störungen mit einer Treffergenauigkeit von 81 Prozent unterscheiden.

Damit schnitt er sogar etwas besser ab als eine Einschätzung auf der Basis eines strukturierten klinischen Interviews mit den Eltern. Den Forschern um Ryan McGinnis zufolge könnte die Schnelligkeit des Sensors die Möglichkeit eröffnen, große Zahlen von Kindern auf Depressionen und Angststörungen hin zu screenen und im Falle eines Falles rechtzeitig zu behandeln. Denn aufgrund der Formbarkeit des kindlichen Gehirns falle frühe psychologische Hilfe auf besonders fruchtbaren Boden, so die Wissenschafter.

Aufwendiges Setting

"Prinzipiell ist die Studie in Ordnung, und es ist durchaus ein interessanter Ansatz", kommentiert Paul Plener, Kinder- und Jugendpsychiater an der Med-Uni Wien. Doch im Detail habe der Ansatz einige Schwächen. Ein sogenannter Mood-Induction-Test wie die "Schlangenaufgabe" in der Studie sei in der klinischen Praxis nicht üblich. "Es handelt sich um ein relativ aufwendiges Setting." Man müsste unter anderem einen abgedunkelten Raum mit Terrarium bereithalten. Und auch wenn der Algorithmus an sich schnell arbeitet: Es dauere einige Zeit, diesen Test inklusive der Phase, in der sich das Kind nach dem Schreck wieder erholt, durchzuführen. "Außerdem würde man es in der Praxis vermeiden, ein Kind zu erschrecken, mit dem man dann danach in der Behandlung arbeiten will." (Christian Wolf, 28.5.2019)