Bild nicht mehr verfügbar.

Alexander Van der Bellen zeigt sich als aktiver Bundespräsident.

Foto: Reuters/Foeger

In den frühen Jahren dieses Jahrhunderts ist er vielen Österreicherinnen und Österreichern als idealer Kanzler erschienen: In Umfragen bekam Alexander Van der Bellen damals Werte auf dem Niveau des Amtsinhabers Wolfgang Schüssel (ÖVP). Unter diesem hätte der heutige Bundespräsident immerhin Vizekanzler werden können – aber die Koalitionsgespräche nach der Nationalratswahl 2002 scheiterten. Eine schwarz-grüne Regierung blieb seither ein unerfüllter, angesichts der parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse auch unerfüllbarer Traum, dem unter anderem der heutige Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer ein Buch gewidmet hat. Van der Bellen hat in diesem Buch 2013 noch einmal mitgeträumt und mitspekuliert. Damals hatte er sich bereits aus dem Nationalrat zurückgezogen und (2012 bis 2015) ein Wiener Landtagsmandat angenommen – man vermutete allgemein, dass er seine Karriere bald beenden würde.

Immerhin hatte sie den im Kaunertal aufgewachsenen Sohn volksdeutscher, aus Estland geflohener Eltern über eine wissenschaftliche Laufbahn in die Spitzenpolitik gebracht. In Innsbruck war Van der Bellen Professor für Finanzwissenschaft, in Wien Professor für Volkswirtschaftslehre.

Auch bei den Grünen, wo er (nach dem Austritt aus der SPÖ) Ende der 1980er-Jahre andockte, wurde er in einer Mischung aus Ehrfurcht und Scherz meist "der Professor" genannt. Peter Pilz, der Van der Bellen in die Politik geholt hatte, hatte beim Professor studiert, der Professor war 1992 grüner Kandidat für das Amt des Rechnungshofpräsidenten und bekam 1994 ein Nationalratsmandat.

Professoral blieb er auch als Politiker: Legendär die Parlamentsrede, in der er wirtschaftswissenschaftlich fundiert das FPÖ-Wirtschaftsprogramm zerpflückte, legendär auch seine gelassene Nachdenklichkeit in TV-Diskussionen. 18 Jahre blieb er im Parlament, elf Jahre als Grünen-Parteichef.

2016 hatte er sich weit genug von den Grünen abgekoppelt, um sich als unabhängiger Kandidat um die Bundespräsidentschaft bewerben zu können – gleichzeitig blieb er nahe genug, um deren Unterstützung zu bekommen. Im dritten Wahlgang gewann er mit über 348.000 Stimmen Vorsprung. Vielfach war angenommen worden, in der Hofburg sitze man nur als Staatsnotar – Van der Bellen zeigt mit 75 Jahren, dass die von ihm als "schön" bezeichnete Verfassung den Bundespräsidenten als den Vorgesetzten des Regierungschefs sieht. (Conrad Seidl, 27.5.2019)