"Süddeutsche Zeitung" und "Spiegel" haben das Ibiza-Video am 17. Mai veröffentlicht. Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus traten in der Folge von ihren politischen Ämtern zurück.

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Wien – Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Ibiza-Videos sind Informationen des STANDARD zufolge auch Staatsanwaltschaften in Deutschland tätig geworden.

Wie die Sprecherin der Staatsanwaltschaft München I, Anne Leiding, bestätigt, gingen "mehrere Strafanzeigen von Privatpersonen ein". Diese richten sich gegen Verantwortliche der "Süddeutschen Zeitung", die ihren Redaktionssitz in München hat. Die privaten Anzeiger äußern demnach den Verdacht, dass durch das Ibiza-Video das Zugänglichmachen von Bildaufnahmen, die geeignet sind, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden (Paragraf 201a Absatz 2 Strafgesetzbuch), verwirklicht wurde. Außerdem gibt es den Verdacht des Zugänglichmachens von höchstpersönlichen Bildaufnahmen.

Geprüft werden die Anzeigen aber nicht nur darauf, "ob sich daraus ein Anfangsverdacht strafbaren Handelns ergibt". Möglich ist laut Leiding auch, dass ein derartiges Handeln "wegen der Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen, insbesondere zur Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens, straflos war".

Ein Amtshilfeersuchen Dritter, also etwa aus Österreich, liegt der Staatsanwaltschaft München nicht vor. "Gegen weitere Personen führen wir derzeit keine Ermittlungen", heißt es in der Stellungnahme.

Auch in Hamburg wird geprüft

Auch in Hamburg, dem Sitz des Nachrichtenmagazins "Spiegel", sind bei der Generalstaatsanwaltschaft "inzwischen zwei Strafanzeigen" eingegangen, wie Oberstaatsanwältin Nana Frombach am Dienstag dem STANDARD bestätigt. "Die Anzeigenden sind jeweils Privatpersonen, die beiden Anzeigen werden zusammen in einem Verfahren geführt." Die Anzeigen richten sich demnach "gegen Verantwortliche des 'Spiegel'". Auch in Hamburg wird geprüft, "ob zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat vorliegen", sagt Frombach.

"Süddeutsche Zeitung" und "Spiegel" hatten am 17. Mai auf ihren Websites das Ibiza-Video veröffentlicht. Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus – Ersterer zu diesem Zeitpunkt FPÖ-Chef, Letzterer FPÖ-Klubchef im Parlament – traten in der Folge von all ihren politischen Ämtern zurück.

Straches Anwalt Johann Pauer hat in Wien drei Personen angezeigt: den Wiener Anwalt M., den Wiener Detektiv Julian H. sowie die vermeintliche lettische Oligarchennichte als unbekannte Täterin. Auf die Frage, ob Strache auch Anzeigen in München und Hamburg eingereicht hat, sagt Pauer dem STANDARD: "Dazu möchte ich mich nicht äußern." Laut dem ARD-Magazin "Report München" ist Strache in München nicht unter den Anzeigeerstattern.

Die Staatsanwaltschaft Wien hat bereits am Montag mitgeteilt, "dass betreffend die Erstellung des Ibiza-Videos bereits ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde und in mehrere Richtungen ermittelt wird". Es werde aber um Verständnis gebeten, "dass aus ermittlungstaktischen Gründen keine näheren inhaltlichen Auskünfte erteilt werden dürfen".

Offene Fragen in Spanien

Ob und welches Delikt nach spanischem Gesetz diejenigen begangen haben, die die Gesprächsrunde um Strache und Gudenus gefilmt haben, ist angesichts der derzeit bekannten Sachlage nur schwer zu beantworten. "Alles hängt davon ab, ob die Gesprächspartnerin Straches dazu steht, dass sie mitgeschnitten hat, oder nicht", erklärt die Anwältin Isabel Elbal in Madrid.

Nur eines steht für die Professorin für Strafprozessrecht am Studienzentrum der Anwaltskammer von Madrid fest: "Da es sich um eine Persönlichkeit des öffentlichen Interesses handelt, ist die Veröffentlichung des Gesprächs keine Straftat." Die einzig offene Frage ist die, ob es notwendig war, die Bilder ins Netz zu stellen, oder ob der Ton ausgereicht hätte, um Strache zu denunzieren. Aber selbst dies sei bei Personen von öffentlichem Interesse, um die es sich bei einem Vizekanzler zweifelsohne handelt, zweitrangig.

Elbal führt einen Fall in Spanien an, bei dem ein Journalist der Online-Zeitung eldiario.es an einer rechtswidrigen Beratung der katholischen Kirche teilnahm, die zum Ziel hatte, Homosexuelle "umzuerziehen". Der Journalist gab sich als Homosexueller aus, schnitt mit und veröffentlichte Teile des Gesprächs in einem Artikel. "Das ist ganz eindeutig kein Vergehen", sagt Elbal.

Im Fall Strache gestaltet sich das anders, zumindest solange die vermeintliche Oligarchennichte nicht erklärt, wie und warum sie das Gespräch geführt und gefilmt hat. "Würde ich einen Politiker in einem Korruptionsverfahren verteidigen, das auf solchen Aufnahmen beruht, würde ich deshalb versuchen, dass der Mitschnitt nicht als Beweis anerkannt wird", erklärt Elbal. Die untergetauchte Gesprächspartnerin Straches habe sich dann gar der Straftat des "Verrats von Geheimnissen" und/oder der Verletzung der Privatsphäre schuldig gemacht. Sollte sie nichts vom Mitschnitt gewusst haben – was mehr als unwahrscheinlich ist –, wäre die Person, die die Kamera aufgestellt hat, dieser Delikte schuldig.

Der Fall könnte auf zwei Wegen in Spanien zu Ermittlungen führen. Zum einen, falls Strache bei der Justiz auf den Balearischen Inseln Anzeige erstattet. Zum anderen, falls die österreichische Staatsanwaltschaft bei der spanischen Staatsanwaltschaft vorstellig wird. (David Krutzler, Reiner Wandler aus Madrid, 28.5.2019)