Gerade ältere Leute hegen oft Skepsis gegenüber Technik in ihrem Alltag.

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Wiener Neustadt – Ältere, gebrechliche oder pflegebedürftige Menschen sollen möglichst lange im Eigenheim leben können, darüber herrscht Einigkeit. Welche Rolle dabei moderne Technologien aus dem Bereich Ambient Assisted Living (AAL) spielen können, ist jedoch noch nicht ganz klar.

Aus Usability-Studien ist bekannt, dass gerade ältere Leute oft Skepsis gegenüber Technik in ihrem Alltag hegen. Dieses Spannungsfeld stellt Entwickler vor die Herausforderung, Lösungen zu konzipieren, die von den Menschen, denen sie zugutekommen sollen, auch akzeptiert werden.

"Ältere Menschen sind eine ganz besondere Zielgruppe", sagt der Informatiker Christoph Jungbauer, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ferdinand-Porsche-Fern-FH. "Bei ihnen ist das Misstrauen gegenüber neuen Technologien viel größere als bei Menschen, die mit der Technik aufwachsen." Vor einigen Jahren hat Jungbauer das Start-up Silva Nordica Technology mitgegründet, das einen Roboter für den sozialen Kontakt älterer Menschen mit der Außenwelt entwickelt. Einen fertigen Prototyp gibt es bereits.

Während die Technik des Roboters weitgehend ausgereift ist, gilt es jetzt, sie an die konkreten Bedürfnisse der Zielgruppe anzupassen. Dies geschieht im Rahmen eines Forschungsprojektes, das Jungbauer gemeinsam mit dem Studiengang "Aging Services Management" der Ferdinand-Porsche-Fern-FH durchführt. Dabei fließen Erfahrungen mit den Bedürfnissen älterer Menschen in die Weiterentwicklung des Roboters ein.

Telefonieren und fernsteuern

Die Hauptaufgabe des Roboters ist es, über Videotelefonie den Kontakt zwischen der älteren Person und ihren Verwandten oder externen Betreuern herzustellen. Die Benutzerschnittstelle ist dementsprechend simpel: Sie besteht nur aus zwei Tasten – einer zum Annehmen von Anrufen und einer zum Auflegen.

Der "Kopf" des Roboters ist ein kleiner Monitor, beim Prototyp ein zwölf Zoll großes Surface-Pro von Microsoft. "Das reicht aus, um ein Gesicht in Originalgröße darauf darzustellen", sagt Jungbauer. Damit sich der Monitor stets auf Augenhöhe der Person befindet, lässt er sich auf bis ca. 1,50 Meter ausfahren.

Eine Besonderheit ist, dass der Roboter über eine Fernsteuerung vom Anrufer bedient werden kann. Das ist beispielsweise dann sinnvoll, wenn die ältere Person nicht abhebt. Der Anrufer kann dann trotzdem eine Verbindung herstellen, den Roboter aus der Ferne durch die Wohnung manövrieren und den Angerufenen suchen.

Eine hochauflösende Kamera zeigt dem Anrufer auf dessen Bildschirm die Wohnung des Angerufenen aus der Perspektive des Roboters. Über eine offene Schnittstelle ist außerdem ein Zugriff auf die Steuerung bestehender Smart-Home-Systeme möglich. Dadurch lässt sich beispielsweise aus der Ferne das Licht in Räumen einschalten.

Tiefer Schwerpunkt

Da sich der Roboter per Raupenfahrwerk bewegt, kann er sich im Stand drehen und außerdem Hindernisse wie Türschwellen oder kleine Gegenstände problemlos überwinden. Auch Treppensteigen funktioniert im Grunde bereits, ist allerdings noch nicht "marktreif", wie Jungbauer einräumt.

Die Energieversorgung erfolgt über Lithium-Eisen-Polymer-Batterien. Eine Ladung reicht für etwa zwei Stunden, dann fährt der Roboter selbstständig an die Ladestation. Die Batterien sind ganz unten verbaut. Dadurch liegt der Schwerpunkt maximal tief und die Kippgefahr ist gebannt.

"Eine Herausforderung ist es, den Roboter so zu konfigurieren, dass der Anwender nichts mehr tun muss", sagt Jungbauer. Aber auch Sicherheitsaspekte spielen eine Rolle. Denn so wie alle Smart-Home-Technologien, soll auch der Roboter nur von explizit Berechtigten benutzbar sein.

Im Rahmen des Forschungsprojektes werden an der Fern-FH auch Bachelorarbeiten zum Thema vergeben. In einigen Jahren soll der Roboter auf den Markt kommen – es wird mit Kosten von rund 6000 Euro gerechnet. Als Geschäftsmodell ist die Vermietung an Pflegedienste geplant, die per Roboter besser mit betreuten Personen kommunizieren können sollen. (Raimund Lang, 30.5.2019)