Über 4000 Häuser und drei Viertel der Industrie wurden am 14. November 1940 inmitten des britischen Festlands vom Bombenhagel der deutschen Wehrmacht über Coventry getroffen – ein perfide gewählter Ort, zumal die Stadt so weit von der Küste entfernt ist wie keine andere Englands. Ein Jahr später ging jenes Bild um die Welt, das Winston Churchill in den Trümmern der ebenfalls zerstörten Kathedrale zeigte, und das Trauma blieb über Jahrzehnte präsent.

Entsprechend symbolträchtig wurde für die Eröffnung der neuen, markant modernistisch neben die Ruine gestellten Kathedrale 1962 der größte damals lebende englische Komponist beauftragt. Benjamin Britten verband in seinem War Requiem wie der Kirchenbau das Alte und Neue, indem er neben den lateinischen Requiem-Text englische Texte von Wilfred Owen stellte, der am Ende des Ersten Weltkriegs gefallen war und geäußert hatte, alles, was ein Dichter heute tun könne, sei zu warnen.

Symbolträchtig

Symbolträchtig auch, dass der damals prominenteste deutsche Sänger Dietrich Fischer-Dieskau neben englischen Kollegen auftrat – ein Zeichen, das auch im Wiener Konzerthaus wieder gesetzt werden sollte, indem für die Aufführung von Brittens Opus summum Mitwirkende aus England, Deutschland, Frankreich, Russland und Österreich engagiert wurden (wenn auch die russische Sängerin krankheitsbedingt absagen musste).

Das Stück hat nichts von seiner betroffen machenden Wirkung verloren – es gleicht einem fassungslosen Aufschrei, einem langen Verharren in Trauer und zaghafter Hoffnung. Unter der entschlossenen Leitung von Daniel Harding boten das Orchestre de Paris und die Wiener Singakademie vor allem viel Klangschönheit. Neben der sehr dramatischen Sopranistin Emma Bell und dem pronociert-kultivierten Tenor Andrew Staples gehörte Bariton Christian Gerhaher die bei weitem eindringlichste, aufrüttelndste Stimme. (Daniel Ender, 29.5.2019)