Klimathemen waren bei den EU-Wahlen vor allem für junge Wähler ein ausschlaggebendes Wahlmotiv.

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Wien – Auf den Wahlkampfpartys grüner Parteien herrschte am Sonntag quer durch Europa Jubelstimmung. In Deutschland konnte die Partei ihre Stimmen verdoppeln, in Irland gewannen die Grünen zehn Prozentpunkte dazu, und auch in Skandinavien dominierte die Bewegung. Vielerorts waren es aber nicht die Spitzenkandidaten, die den Parteien zu Wahlerfolgen verhalfen, sondern deren zentrales Thema: der Kampf gegen den Klimawandel.

So auch in Österreich. Hier feierten die Grünen, die den Klimaschutz zu ihrem Hauptthema gemacht hatten, nach der herben Wahlniederlage vor zwei Jahren ein Comeback. Ihr Spitzenkandidat Werner Kogler war dabei für nur drei Prozent der Wähler das ausschlaggebende Motiv, inhaltliche Standpunkte fielen mit 47 Prozent schwerer ins Gewicht.

Auch für den anstehenden Nationalratswahlkampf ist anzunehmen, dass die Grünen den Klimawandel in den Mittelpunkt rücken werden. Ganz allein dürften sie dabei nicht sein: Längst haben auch andere Parteien erkannt, dass das Thema vor allem bei unter 30-Jährigen viel Zuspruch findet.

Jungwähler überzeugen

Jene Parteien, die bisher eher gegen Klimaschutzmaßnahmen stimmten, könnten versuchen, Jungwähler in den kommenden Wochen und Monaten mit klimafreundlicher Politik zu überzeugen. Durch das freie Spiel der Kräfte im Nationalrat wäre jedenfalls einiges möglich.

Die Klimapolitik der bisherigen Regierung stand immer wieder in der Kritik. Die "Mission 2030", die türkis-blaue Klimastrategie, sei "ambitionslos", kritisierten Umweltorganisationen.

Und der Entwurf des nationalen Energie- und Klimaplans fand unter Wissenschaftern wenig Anklang. Nun ist Eile geboten, der fertige Plan muss bis Jahresende in Brüssel vorgelegt werden. Bisher wurde erfolgreiche Klimapolitik durch eine "politische Blockade" verhindert, kritisierte der Klimaforscher Gottfried Kirchengast im Frühjahr. In Österreich gebe es nach Angaben des Forschers bisher "keine ausreichende politische Leadership", um die Pariser Klimaziele zu erreichen.

Noch-Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) betonte hingegen wiederholt, dass der Klimaschutz eine der größten Aufgaben der Menschheit sei. Türkis-Blau schrieb sich selbst den Ausbau der E-Mobilität und den "Raus aus dem Öl"-Bonus auf die Fahne.

Angst vor "verlorenem Jahr"

Heimischen Umweltschützern und auch den bisherigen Oppositionsparteien gingen die Maßnahmen jedenfalls nicht weit genug. NGOs forderten bereits im Vorfeld des Misstrauensvotums einen Klimanotfallplan bis zur Neuwahl im Herbst. Sie fürchten, dass die Klimapolitik aufgrund der momentanen Situation zu kurz kommen könnte. "Die Übergangszeit darf keine Klimastillstandzeit sein", sagt Florian Maringer vom Dachverband Erneuerbare Energie Österreich. 2020 dürfe kein "verlorenes Jahr" im Klimasektor werden. Der Umweltdachverband wünscht sich die aus seiner Sicht bisher fehlende Ökologisierung der Steuerreform. Andere hoffen auf die Durchsetzung bisheriger Klimaversprechungen. So etwa der Verkehrsclub Österreich, der auf die von Ex-Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) angekündigte, aber bisher noch nicht im Nationalrat beschlossene Nahverkehrsmilliarde hofft.

Um den Klimaschutz voranzutreiben, könnte die Übergangsregierung, die innerhalb einer Woche angelobt werden soll, jedenfalls einige Schritte setzen. Und zwar auch ohne teure "Wahlzuckerl" im Nationalrat zu beschließen, wie es über Parteigrenzen hinweg gewünscht wurde. An manchen Aufgaben wird die neue Regierung aufgrund anstehender Abgabefristen erst gar nicht vorbeikommen. Folgende Bereiche bieten sich beispielsweise an:

Weniger rasen statt Abgasen!
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  • Tempo 140 abschaffen

Eine der einfachsten Klimamaßnahmen für die Übergangsregierung wäre wohl die Abschaffung der Tempo-140-Teststrecken. Die von der FPÖ durchgesetzte Regelung, die auf mehreren Autobahnabschnitten höhere Geschwindigkeiten erlaubt, war von Anfang an umstritten. Immerhin erhöht sich der CO2-Ausstoß bei einer Geschwindigkeit von 140 km/h im Vergleich zu 130 km/h laut Umweltbundesamt um zehn Prozent. Die Abschnitte in Nieder- und Oberösterreich wieder auf Normalgeschwindigkeit zu begrenzen, würde den Staatshaushalt zudem nicht zusätzlich belasten.

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Kerosin und Diesel werden steuerlich bevorzugt. Wozu eigentlich?
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  • Subventionen überdenken

Eine weitere Möglichkeit, für Mehreinnahmen zu sorgen und gleichzeitig etwas für das Klima zu tun, wäre die Streichung klimaschädlicher Subventionen. Für Steuerzahler entstehen durch die Förderungen jährlich Kosten in Milliardenhöhe. Dass sämtliche umweltschädliche Förderungen gestrichen werden, gilt als unwahrscheinlich: Immerhin könnten Flüge teurer oder die Tankstellenrechnungen dadurch höher werden – wovor Parteien in Zeiten des Wahlkampfs wohl eher zurückschrecken. Umweltschützer fordern daher vielmehr eine umfassende ökosoziale Steuerreform, von der in den Plänen der bisherigen Regierung nur wenig zu lesen war.

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Wohin soll die Klimareise gehen?
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  • Klimaplan anpassen

Eine Aufgabe, die auf die Übergangs regierung aller Voraussicht nach zukommen wird, ist die weitere Ausarbeitung des nationalen Energie- und Klimaplans. Der Entwurf dazu wurde von Türkis-Blau im vergangenen Dezember der EU-Kommission übermittelt, Finanzierungsvorschläge wurden darin kaum genannt. Bis Ende Juni will die Kommission ihren Kommentar zu den Entwürfen fertigstellen. Die neue Regierung hat dann bis Jahresende Zeit, einen finalen Plan zur Erreichung der Klimaziele bis 2030 auf die Beine zu stellen. Am 1. Jänner 2020 muss die Regierung zudem ihre langfristigen Klimavorhaben bis 2050 nach Brüssel schicken.

EU-Klimapolitik ist nicht der große Wuff, sondern Knochenarbeit.
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  • EU-Klimapolitik vorantreiben

Die Übergangsregierung wird Österreich bis Herbst natürlich auch auf EU-Ebene vertreten – und kann die Klimapolitik dort mitgestalten. Eine erste Möglichkeit dazu bietet sich beim Europäischen Rat am 20. und 21. Juni, bei dem auch das Thema Klimawandel auf der Agenda steht. Zudem will Finnland, das ab der zweiten Jahreshälfte den EU-Ratsvorsitz innehat, Klimafragen in das Zentrum der Gespräche rücken. Auch hier zählt die Stimme der österreichischen Regierung. Im September steht außerdem der Klimagipfel der Vereinten Nationen an. (Nora Laufer, 29.5.2019)