Die albanische Regierung beschloss, dass Albaner, die in Montenegro und in Nordmazedonien leben, nun keine Arbeitserlaubnis mehr brauchen, wenn sie in Albanien arbeiten wollen. Der albanische Premier Edi Rama verfolgt bereits seit einigen Jahren einen sehr nationalistischen Kurs und sympathisiert immer wieder mit großalbanischen Ideen. Er versucht sich insbesondere als Führer aller Albaner in der Region darzustellen.

Rama hat immer wieder auch kosovarische Staatsbürger in Ministerämter in Albanien gehievt. Der Vize-Außenminister Gent Cakaj ist etwa Kosovare. Er kam ins Amt, nachdem Rama im Jänner den international anerkannten langjährigen Außenminister Ditmir Bushati gefeuert hatte. Bushati hatte sich gegen die völkisch orientierte Idee von Rama gewandt, der sich dafür ausgesprochen hatte, den Kosovo zu teilen, sodass der Norden, wo viele Serben leben, zu Serbien kommen sollte. Langfristig stellt diese Politik von Rama eine Gefährdung der Integrität des Kosovo dar, weil dadurch Stimmen stärker werden, die den Kosovo mit Albanien vereinen wollen.

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Proteste in den Straßen Tiranas.
Foto: (AP Photo/Hektor Pustina

Mehr Autoritarismus

Rama ist aber nicht nur ein Nationalist, sondern agiert auch zunehmend autoritär. So fiel Albanien im Ranking der Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen zuletzt um sieben Plätze auf den Platz 82 im Internationalen Vergleich zurück. Die Angriffe der Regierung und von Gruppen der organisierten Kriminalität haben im Jahr 2018 ein nie zuvor da gewesenes Ausmaß erreicht. Reporter ohne Grenzen berichtet von Beschimpfungen, Todesdrohungen und Anzeigen gegen Journalisten, die diese offensichtlich einschüchtern sollten. Rama selbst hatte Journalisten als "Müll" bezeichnet.

Einer der Journalisten, Ylli Rakipi, hat sich zur Wehr gesetzt und seinerseits eine Klage gegen Rama eingereicht. Zuvor hatte Rama Rakipi angezeigt, weil der TV-Journalist den Regierungschef als "Clown" bezeichnet hatte. Der politische Diskurs in Albanien ist extrem rau. Das hat auch damit zu tun, dass die beiden Parteien – die Sozialisten und die Demokraten – sich seit Jahrzehnten auf eine Art und Weise bekämpfen, die einen eher an einen Vernichtungskampf erinnert als an eine politische Auseinandersetzung. An dem jeweils anderen wird kein gutes Haar gelassen, und es wird dauernd versucht, über das Ausland Kampagnen gegen den politischen Gegner zu führen.

Demokraten boykottieren das Parlament

Die Demokratische Partei geht dabei so weit, dass sie das Land unter der sozialistischen Regierung als Drogen-und-Mafia-Staat darstellt und so der Reputation des wunderschönen südosteuropäischen Staates schadet. Die Demokratische Partei (PD) boykottiert das Parlament bereits seit längerer Zeit – was in Südosteuropa nicht unüblich ist. Jede Woche finden auch Demonstrationen der Opposition statt, die immer wieder zu gewaltsamen Ausschreitungen führen. Das politische Klima ist derartig aufgeheizt, dass sogar wohlmeinende Vermittler derzeit keine Chance sehen, dass sich die Situation entspannt.

Die Anliegen der Opposition und anderer zivilgesellschaftlicher Akteure sind teilweise legitim. So geht es etwa um die Kosten für Plätze in Studentenheimen, die sich junge Menschen nicht leisten können, oder um zwielichtige Bauvorhaben, die die Interessen mancher Bürger unterminieren. Doch die Rhetorik der Opposition ist nur auf Krawall gebürstet. DP-Chef Lulzim Basha spricht immer wieder vom "illegitimen Premier".

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Premier Rama unter Druck.
Foto: REUTERS/Florion Goga

Lokalwahlen Ende Juni

Ende Juni finden in Albanien Lokalwahlen statt, und es ist davon auszugehen, dass die Situation sich bis dahin noch zuspitzt. Es könnte sein, dass die Opposition gar nicht daran teilnimmt. Die konservative PD verfügt über gute Kontakte nach Deutschland und will erreichen, dass sich die EU in den Konflikt einmischt, wie das in Nordmazedonien im Jahr 2015 der Fall war.

Für zusätzliche Probleme bezüglich der Stabilität im Lande sorgt die Justizreform, bei der es vor allem darum ging, korrupte Staatsanwälte und Richter aus dem System zu entfernen. Deshalb wurde auch mithilfe internationaler Experten eine Kommission gegründet, die die Richter und Staatsanwälte seit zwei Jahren durchleuchtet. Allerdings wurden so viele Richter und Staatsanwälte ihrer Ämter enthoben, dass es nun kein einziges Höchstgericht mehr gibt, das funktioniert. Dadurch ist nicht nur ein gefährliches Vakuum im Rechtsstaat geschaffen worden, sondern es entsteht auch ein enormer Stau bei Fällen, die dringend vor Gericht verhandelt werden sollten. Daran ist aber nicht nur die albanische Verwaltung schuld, sondern auch die internationale Gemeinschaft, die die Umstände vor Ort falsch eingeschätzt hat.

Erweiterung gefährdet

Albanien sollte eigentlich in diesem Jahr mit den EU-Erweiterungsverhandlungen beginnen, und tatsächlich ist die Justizreform auch ein einzigartiger Reformakt in der Region – doch Frankreich steht voll auf der Bremse. Dabei interessiert man sich in Paris nicht für Albanien oder die Region, sondern ist einzig und allein darauf erpicht, dass keine Migranten und Asylwerber aus Albanien nach Frankreich kommen. Falls dies allerdings in der Region so begriffen werden sollte, dass es gar keine Erweiterung mehr geben wird, würde dies alle Reformkräfte schwächen und könnte den Autoritarismus und Nationalismus noch weiter fördern. (Adelheid Wölfl, 29.5.2019)