Mitglieder der belgischen Königlichen Akademie für Medizin haben Mitte Mai in einer rechtlichen Einschätzung dargelegt, warum sie eine rein vegane Erziehung von Kindern für "unethisch" und gefährlich halten. Die Stellungnahme der Ärzte dürfte aller Voraussicht nach künftige Richterentscheidungen maßgeblich beeinflussen. Eine strikt vegane Ernährung ohne die notwendigen Nahrungsergänzungsmittel und die entsprechende medizinische Begleitung und Versorgung könnte juristisch fortan wie eine unterlassene Hilfeleistung für eine Person in Gefahr behandelt werden, sagt Professor Georges Casimir, Chefverantwortlicher der Kommission, die den Bericht erstellte.

Bisher konnte eine Person nicht nach dem entsprechenden Gesetz aus dem Jahr 1961 verurteilt werden; die Stellungnahme der Akademie mache es nun aber zu Allgemeinwissen, dass eine vegane Ernährungsweise lebensgefährlich sein könne, so Casimir. Außerdem sei es nun einfacher, Eltern die Kinder zu entziehen, wenn sie diesen eine unausgewogene, rein vegane Ernährung auferlegen.

Die Akademiemitglieder verweisen auf mehrere Todesfälle von Kindern durch vegane Mangelernährung in den letzten Jahren in Belgien. Vor allem der Tod eines erst sieben Monate alten Babys sorgte 2017 für Schlagzeilen. Die Richter sahen damals die Ernährung mit rein pflanzlichen Säften anstatt von Muttermilch oder Milchersatznahrung als hauptverantwortlich für den Tod an.

Proteine und Fettsäuren

Aus diesem Grund habe der wallonische Politiker Bernard Devos, der für Gesundheitsrechte von Kindern in Brüssel sowie im französischsprachigen Wallonien zuständig ist, um die Einschätzung der "Royal Academy of Medicine" angesucht.

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Auf eine möglichst ausgewogene Ernährung kommt es an, darauf können sich Nichtveganer und Veganer einigen. Im Gegensatz zu Omnivoren können sich Veganer eine ausgewogene Ernährung auch auf rein pflanzlicher Basis vorstellen.
Foto: REUTERS/Rachel Hartigan

Die Ärzte betonen in ihrer Stellungnahme den Mangel an tierischen Proteinen und Aminosäuren in Pflanzensäften. Vor allem in Wachstumsphasen seien Proteine und Aminosäuren essentiell, um irreversible Defizite zu vermeiden. Casimir hebt vor allem die Entwicklung von Gehirnzellen hervor, die große Mengen an Proteinen und Fettsäuren benötigen, die der Menschen selbst nicht produzieren kann und die deshalb extern zugeführt werden müssen.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt gar, Kinder in den ersten sechs Lebensmonaten ausschließlich mit Muttermilch zu ernähren und, wenn möglich, bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr weiterzustillen.

Veganer widersprechen

Schätzungen gehen davon aus, dass rund drei Prozent der belgischen Kinder vegan ernährt werden. Einer aktuellen Umfrage zufolge soll vor allem der Fleischkonsum in Belgien in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen sein, 16 Prozent der Bevölkerung ernähren sich mittlerweile vegetarisch.

Dawn Carr von der Tierschuztorganisation Peta nennt die belgische Entscheidung gegenüber dem "Telegraph" einen "Riesen-Unsinn". Zahlreiche Ernährungsmediziner würden belegen, dass eine fleisch- und milchproduktlastige Ernährung bei Erwachsenen immer wieder zu Schlaganfällen, Gehirnaneurysmen und Herzattacken führen würde, während eine ausgewogene und gut geplante vegane Ernährung perfekt für Babies und Kinder sei. Es liege in der Verantwortung der Eltern, die notwendigen Nährstoffe für das Kind bereitzustellen. Ins selbe Horn blasen auch zahlreiche andere Verfechterinnen und Verfechter einer veganen Ernährung. (red, 30.5.2019)