Greta Thunberg, die Ikone der "Fridays For Furure"-Bewegung, ist am Freitag am Heldenplatz dabei, wenn wieder für das Klima gestreikt wird.

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Es steht schlecht um den Planeten: Der Klimawandel schreitet rasant voran, weltweit und in Österreich. Und der Welt-Biodiversitätsrat IPBES hat Anfang Mai 2019 eine schockierende Bilanz zum Zustand der biologischen Vielfalt vorgelegt. Diese Befunde sind Symptome einer tiefgreifenden Krise unserer Gesellschaft, und der Stopp des Artenrückgangs muss mit einer ambitionierten Klimapolitik verknüpft werden. Während Wissenschaft und Zivilgesellschaft dies vehement einfordern, schweigt die österreichische Politik. Und setzt die Zukunft des Landes aufs Spiel.

Beschämendes Zeugnis ...

Der 19. Platz. Das ist das beschämende Zeugnis für Österreichs Klimapolitik Mitte Mai 2019. Die European Climate Foundation verglich dabei die Anstrengungen, die die 28 EU-Staaten jeweils unternehmen, um das Pariser Klimaziel zu erreichen. Österreich ist damit meilenweit entfernt, seine international eingegangenen Klimaschutzverpflichtungen erfüllen zu können. Dafür müssten die nationalen Treibhausgasemissionen markant sinken. diese sind jedoch seit 1990 sogar etwas gestiegen, und der österreichische Klimaschutzbericht lässt keine Trendwende erkennen.

... auch beim Artenschutz

Und wie steht‘s um die Biodiversität in Österreich? Etwa ein Drittel aller beurteilten Arten steht in Österreich auf den Roten Listen, etwa 80 Prozent der Arten und Lebensräume der FFH-Richtlinie sind in einem schlechten Erhaltungszustand, und die Bestände von Brutvögeln in der Agrarlandschaft sind laut Birdlife in nur 20 Jahren um 42 Prozent eingebrochen. Statt dem Gesang der Feldlerche und Schwalben ist der Stumme Frühling vielfach Realität geworden. Das in der nationalen Biodiversitätsstrategie 2020+ festgelegte Ziel, die biologische Vielfalt zu erhalten, ist in weiter Ferne. Offensichtlich sind die Naturschutzbemühungen in Österreich ungenügend.

Klimaschutz = Naturschutz = Zukunftsschutz

Die Biodiversitätskrise und die Klimakrise sind engstens miteinander verknüpft. Die Produktion von Nahrungsmittel, der Schutz vor Naturgefahren wie Überschwemmungen, die Pufferung klimatischer Extreme, die als Folge des Klimawandels häufiger werden, und vieles mehr hängt entscheidend von stabilen, artenreichen Ökosystemen ab. Der weiterhin voranschreitende Biodiversitätsverlust macht das Überschreiten von Systemgrenzen und von Kipppunkten zunehmend wahrscheinlich. Dies birgt enorme Risiken – auch für den Menschen.

Klimaschutz und Biodiversitätsschutz können nur gemeinsam gelingen. Nur intakte Lebensräume können dem Klimawandel trotzen – das zeigt gegenwärtig die durch die heißen Sommer der letzten Jahre ausgelöste Borkenkäferkalamität in den Fichtenwäldern des Waldviertels. Besonders bedeutsam ist, dass intakte Lebensräume große Mengen Kohlenstoff speichern, den sie bei Degradierung freisetzen und damit den Klimawandel weiter anfeuern. Feuchtgebiete mit Torfböden, alte Wälder, aber auch landwirtschaftlich genutzte Böden speichern große Mengen Kohlenstoff, sie sind gemeinsam mit den Meeren die weltweit wichtigste Kohlenstoffsenke. Solche Lebensräume zu bewahren oder wiederherzustellen, ist also nicht nur Naturschutz, sondern ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz. Das deutsche Umweltbundesamt schätzt, dass alleine aus entwässerten Moorböden Treibhausgase im Ausmaß von bis zu 15 Prozent des gesamten Verkehrs in Deutschland freigesetzt werden. Ähnliches gilt für Österreich.

Masterplan für Natur und Klima

Eine breite Allianz von Wissenschaft, NGOs, neuen zivilgesellschaftlichen Gruppierungen wie Fridays for Future und Extinction Rebellion fordert vehement eine ambitionierte integrierten Klima- und Biodiversitätspolitik. Solch ein "Masterplan Natur und Klima 2030" muss den Schutz und die Wiederherstellung intakter Lebensräume und eine konsequente Umsetzung der Pariser Klimaziele als essenziellen Bestandteil der Politik festschreiben. Diese Vorgabe muss als Leitlinie auch in andere Politikfelder wie Landnutzung, Energiewirtschaft und Flächenwidmung integriert werden.

Welche Maßnahmen nötig sind, ist wissenschaftlich gut untersucht: nachhaltige Landnutzung, eine Verbesserung des österreichischen Schutzgebietsnetzwerks, ein Umbau zu einem CO2-neutralen Wirtschaftssystem, die Bündelung der Kompetenzen in einem eigenen Klima- und Umweltministerium sind dabei die großen Leitlinien. Die dafür benötigten beträchtlichen Mittel sind ausreichend vorhanden, alleine der Abbau biodiversitätsschädigender Förderungen und Anreize würde dafür mehr als ausreichen. Und: dieses Geld ist gut investiert, weil damit langfristig viel höhere gesellschaftliche Kosten vermieden werden.

Zivilgesellschaftlicher Druck

Die Politik in Österreich ist bislang säumig, und es ist höchste Zeit, dass die Regierenden endlich erwachen. Umso wichtiger ist zivilgesellschaftlicher Druck wie etwa das Volksbegehehren Artenvielfalt in Bayern, welches im Februar 2019 zum erfolgreichsten Volksbegehren überhaupt avancierte! Dies zeigt, dass große Teile der Bevölkerung die Dringlichkeit von Klima- und Biodiversitätsschutz und die dadurch verursachten existenziellen Risiken dieser Systemkrisen verstanden haben. Tragen Sie dazu bei, werden Sie aktiv – und nehmen Sie an am Klimastreik mit Greta Thunberg am Freitag am Heldenplatz in Wien teil! (Franz Essl, 29.5.2019)