Mehr als 117 Millionen Euro dürften die zweiten Parlamentswahlen innerhalb eines Jahres die Israelis kosten. Geld, das man in dem von hohen Lebenshaltungskosten und Konflikten geprägten Land sehr gut für sinnvollere Projekte ausgeben könnte. Zu Recht empört sind die Wähler, die sich die Mischung aus Tragödie und Satireshow in der Knesset am Mittwochabend live im Fernsehen angesehen haben. Besonders zynisch: Nicht einmal die Politiker selbst dürften ernsthaftes Interesse daran gehabt haben, das Land für ein weiteres halbes Jahr lahmzulegen und sich in einen ermüdenden, teuren Wahlkampf zu stürzen.

Man kann nun den rechten Ex-Minister Avigdor Lieberman dafür zur Verantwortung ziehen, weil er bis zuletzt stur blieb und auf die Zusicherung aller Koalitionspartner pochte, das Gesetz zur Wehrpflicht für Ultraorthodoxe zu verabschieden. Man darf sich auch über Premier Benjamin Netanjahu ärgern, der eine Abstimmung über Neuwahlen überhaupt erst eingefädelt hat. Eigentlich hätte Präsident Reuven Rivlin einen anderen Kandidaten mit der Koalitionsbildung beauftragen sollen. Doch Netanjahu wollte den Job keinem anderen überlassen.

Das eigentliche Dilemma

Doch das eigentliche Dilemma ist, dass dieses Land derzeit so tief gespalten ist wie nie. Genau das hat der Koalitionspoker der vergangenen Tage deutlich gemacht. Eine Trennlinie verläuft zwischen links und rechts, vor allem zwischen den Netanjahu-Anhängern und -Gegnern: Die einen sehen ihn als Beschützer der Nation. Die anderen sehen in ihm einen Kriminellen, der wegen Bestechlichkeit, Betrugs und Untreue längst im Gefängnis sitzen sollte und mit seinem Machtstreben die Demokratie aufs Spiel setzt.

Die andere Trennlinie verläuft zwischen den Ultraorthodoxen und den Säkularen. Staatsgründer David Ben-Gurion sprach den Strengreligiösen einst besondere Rechte zu. Zum Beispiel waren sie vom ansonsten verpflichtenden Militärdienst ausgenommen. Heute wollen sich immer mehr Säkulare nicht länger den Forderungen der stark wachsenden und politisch mittlerweile einflussreichen Minderheit beugen.

Für die Israelis geht es nicht nur darum, nach den Neuwahlen im September ein zweites Koalitionsdilemma zu verhindern. Sie müssen auch gesellschaftliche Gräben überwinden. Wenn die Anklage Netanjahus wie angekündigt erfolgt, eventuell auch mit einem neuen Premier an der Spitze. (Lissy Kaufmann, 30.5.2019)