Das Ende der Koalition und der Abgang von Kanzler Sebastian Kurz werden von Bonitätsprüfern kritisch beäugt.

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Seit seine Regierung aufgelöst worden ist, mischt sich Ex-Kanzler Sebastian Kurz wieder als Wahlkämpfer unter die Leute. Dabei wird er nicht müde, Erfolge der türkis-blauen Reformpartnerschaft hervorzuheben. Stets betont wird das historische Nulldefizit. Dass die Republik 2018 erstmals seit 44 Jahren keine neuen Schulden gemacht hat, liegt vor allem an sprudelnden Steuereinnahmen und rekordtiefen Zinsen. Dank der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank konnte sich Österreich im Vorjahr so günstig wie noch nie verschulden. Das spiegelt sich auch in der guten Bonitätsbewertung des Landes wider.

Doch das Vertrauen der Investoren, das sich in niedrigen Zinsen ausdrückt, könnte durch die Regierungskrise gedämpft werden: Bereits direkt nach dem Platzen der Koalition warnten die Ratingagenturen S&P sowie Moody's vor möglichen negativen Folgen für die Kreditwürdigkeit. Beide hatten in ihren jüngsten Berichten ihr hohes Rating für die Republik bestätigt und den Ausblick mit "stabil" bewertet. Jetzt könnte der Wind drehen.

Die von Türkis-Blau vor wenigen Wochen präsentierte Steuerreform bleibt unvollendet.
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Grob gesagt gibt es zwei Gründe, warum die Ratingagenturen verstimmt sind. Einerseits stellt das Ende von Türkis-Blau die Steuerreform infrage. Die geplante Entlastung von über acht Milliarden Euro bleibt großteils unvollendet, betont Moody's-Analyst Heiko Peters. Insgesamt hätten die Reformen und Einsparungen das Wirtschaftswachstum unterstützt und somit trotz Steuersenkungen die finanzielle Lage des Staates verbessert. Ob die nächste Regierung den Reformkurs fortsetzen wird, ist ungewiss. Das schreckt Investoren ab.

Teure Wahlzuckerln möglich

Der zweite Grund, warum Analysten befürchten, dass die politischen Tumulte der heimischen Kreditwürdigkeit schaden, ist der Hang zu teuren Wahlzuckerln knapp vor dem Urnengang, wie es die Analysten von S&P in ihrem Kommentar zum Ausdruck bringen. Allerdings zeigt ein Blick in deren jüngsten Rating-Bericht aus dem März, dass diese Tendenz zu "potenziell teuren populistischen Maßnahmen" bereits aufgrund der EU-Wahl in die Bonitätsbewertung einfloss.

Die von der Regierung erwarteten leichten Budgetüberschüsse haben die Analysten ohnehin halb abgeschrieben. Damit fällt Österreich übrigens schon lange negativ auf: Sowohl die Schweiz als auch Deutschland schaffen es regelmäßig, in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs etwas zur Seite zu legen, während man hierzulande ein Nulldefizit feiern muss.

Ein Bild aus früheren Tagen. Türkis-Blau hebt aber auch noch heute die Erfolge der Reformpartnerschaft hervor.
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Eine neue Regierung im Herbst birgt aber auch Chancen. Obwohl viele Ambitionen der türkis-blauen Koalition von den Bonitätsprüfern gelobt wurden, bestand der Zweifel, dass sie auch alle umsetzbar sind. S&P-Analyst Thomas Fischinger betont in seinem Bericht, dass einige der "unorthodoxen Maßnahmen" unter ÖVP und FPÖ die traditionell österreichische Entscheidungsfindung auf Basis breiter politischer Allianzen, etwa im Einvernehmen der Sozialpartner, erschwert haben. Eine weniger kantige Koalition könnte ab Herbst diesbezüglich handlungsfähiger sein, womöglich jedoch ambitionsloser.

Dass S&P oder Moody's als Folge der Regierungskrise umgehend ihr Rating für Österreich senken, wäre ungewöhnlich, wie Insider gegenüber dem STANDARD betonen. Bei gravierenden Ereignissen, etwa der Besetzung der Krim, kommt das vor, aber dass sich in einem EU-Land eine Koalitionsregierung vorzeitig auflöst, ist kein Sonderfall. Umso spannender dürfte die Entscheidung der Ratingagentur Fitch sein, die ihre reguläre Bonitätsprüfung auf Ende Mai gelegt hat. Diese Prüftermine müssen nämlich nach EU-Regeln schon lange im Vorfeld fixiert werden. Auch wenn das Rating für die Republik nicht sinkt, könnte sich der zuletzt positive Ausblick bei Fitch nun eintrüben.

Renditen gesunken

Angesichts der hohen Bewertung der Republik wäre ein kleiner Dämpfer jedenfalls keine Gefahr, die durch die Zinslast die Staatsfinanzen strapazieren könnte. Das betont auch der Chef der Bundesfinanzierungsagentur, Markus Stix, gegenüber dem STANDARD: "Die derzeitigen innenpolitischen Entwicklungen in Österreich haben bis dato keine Auswirkungen auf österreichische Bundesanleihen."

Die Renditen für zehnjährige Anleihen sind seit dem Zusammenbruch der Koalition sogar gesunken. Das spricht aber nicht für einen Tsipras-Effekt, als diese Woche Investoren die angekündigten Neuwahlen in Griechenland mit Zuversicht feierten. Grund sei laut Stix, dass Österreich für viele globale Investoren als sicherer Hafen gilt. (Leopold Stefan, 31.5.2019)