Clemens Jabloner wird neuer Vizekanzler und Justizminister.

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Die Schönheit der von Hans Kelsen geschriebenen Bundesverfassung wurde dieser Tage oft zitiert – vor allem vom Bundespräsidenten. Clemens Jabloner ist einer, der das genauso sieht. Der 70-Jährige, der nun im Kabinett von Brigitte Bierlein Vizekanzler und gleichzeitig Justizminister wird, hält das Andenken Kelsens hoch. Seit 2014 bekleidet er die Hans-Kelsen-Professur am Institut für Rechtsphilosophie der Uni Wien und ist bereits seit 1993 Geschäftsführer des Hans-Kelsen-Instituts.

Wenn Freunde den langjährigen Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs (1993–2013) charakterisieren, dann klingt das nach der idealtypischen Beschreibung eines Ministers in einem Expertenkabinett: Er sei "durch und durch dem Gemeinwesen verpflichtet", von altösterreichischem Verwaltungsethos beseelt. Ein typischer Ausspruch Jabloners: "Unser Staat hat einen ziemlich guten Autopiloten" – nämlich eine kenntnisreiche und pflichtbewusste Hochbürokratie.

In der Historikerkommission

Parteipolitisch engagierte er sich zwar nie, galt aber dennoch stets als SPÖ-nahe. Jabloners bedeutendste Aufgabe jenseits des Verwaltungsgerichtshofs war die Betrauung mit dem Vorsitz der Historikerkommission der Republik im Jahr 1998. Diese war aus der Notwendigkeit heraus entstanden, die immer drängendere Frage zu beantworten, warum die Rückstellung geraubten (hauptsächlich jüdischen) Vermögens nach 1945 so zögernd und unvollständig erfolgt war.

Jabloner sprach damals von einem "Paradigmenwechsel". Österreich habe anfangs die These vertreten, es sei das erste Opfer des Nationalsozialismus gewesen. Das habe lange Zeit auch alle Entschädigungsansprüche der NS-Opfer behindert oder abgewürgt. Dies ließ sich nun auch infolge internationalen Drucks nicht länger halten, zumal auch Bundespräsident Thomas Klestil und Kanzler Franz Vranitzky in zwei vielbeachteten Reden die Mitverantwortung der Österreicher bestätigt hatten.

Die Historikerkommission legte ihren 14.000-seitigen Bericht 2003 unter Schwarz-Blau vor. Er wurde teilweise zur Grundlage von Entschädigungszahlungen (auch an Zwangsarbeiter). Jabloner zeigte sich in seinem Bericht am meisten beeindruckt von der "Dimension des Ganzen". Die Kommission hat dafür den plakativen Ausdruck "staatlich organisierte Kriminalität" verwendet. Damit ist gemeint, dass das nationalsozialistische System seinen Angriff auf die Vermögenswerte der Opfer in wahrlich "großem Stil" führte.

Gegen Abriss des Hitler-Hauses

Die Zeitgeschichte ließ Jabloner auch in der Pension nicht los. 2016 sprach sich eine Expertenkommission, der er angehörte, gegen den Abriss des Hitler-Geburtshauses in Braunau, den der damalige Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) vorgeschlagen hatte, aus, weil das einer "Verleugnung der NS-Geschichte" gleichkommen würde. Abgerissen wurde es schließlich tatsächlich nicht – bis heute gibt es aber einen Rechtsstreit um die Enteignung des Hauses.

Im Vorjahr ließ Jabloner mit Kritik an einer geplanten Postenbesetzung des burgenländischen Landeshauptmanns Hans Niessl (SPÖ) aufhorchen. Dieser wollte seine Büroleiterin zur Präsidentin des Landesverwaltungsgerichts machen. Jabloner sah dadurch den Ruf der Verwaltungsgerichte in Gefahr – letztlich zog die Kandidatin zurück. Unterzeichnet wurde von ihm auch eine Petition gegen das türkis-blaue Vorhaben, die Asylrechtsberatung zu verstaatlichen. Und auch einen weiteren Plan der Vorgängerregierung hielt er für wenig sinnvoll: das Staatsziel Wachstum in die Verfassung zu schreiben. Den Gesetzestext dazu bezeichnete er als "völlig verfehlt". (Günther Oswald, Hans Rauscher, 30.5.2019)