"Zack, zack, zack, wer zahlt schafft an. Glock. Glock. Glock. Kohle her. Redaktion stürmen. Staat übernehmen, liberaler Konkurrenzunternehmer, missliebiger Journalist – ihr seid sowas von tot."

Illustration: DER STANDARD

Als Hannes Androsch 1981, auf dem Höhepunkt des Consultatio-Skandals, ein Praterlokal betrat, gaben ihm die Gäste, größtenteils Arbeiter, stehende Ovationen. Plebejer, die sich keine andere Welt als die verkehrte vorstellen können, mögen den Gauner oder Lottogewinner lieber als den Idealisten, der den Kuchen gerecht verteilen will. Erstere könnte man ja selber sein, und wie sie würde man nichts abgeben davon.

Wer meint, Ibiza-Gate diskreditiere Strache und Spießgesellen, hat bereits bei den EU-Wahlen letzten Sonntag den Beginn einer Kette blauer Wunder erleben können. Wer so denkt, liegt einem größeren Selbstbetrug auf als die FPÖ-Wähler, die nach linker Lesart noch immer verirrte Schäfchen seien, welche in der Verzweiflung darüber, von der Sozialdemokratie rechts liegengelassen worden zu sein, den Rechten in die Arme gelaufen seien.

Wild und gefährlich

Alsbald würden sie einsehen, dass die FPÖler keine Sozialisten für unsere Leut' sind, sondern Steigbügelhalter westlichen und östlichen Kapitals. So sieht ein linker Selbstbetrug aus, der liberale aber im Glauben, die rechtsstaatlichen Institutionen seien heilige Tempel, vor denen das Volk erschaudert.

Dem politisch verwaisten FPÖ-Fan haben sich auf Ibiza Ocean Eleven-hafte, coole Jungs dargeboten, die wild und gefährlich leben, auf Augenhöhe mit verhängnisvoll schönen russischen Oligarchinnen pokern und sich stellvertretend für ihn den Anteil am Kuchen, von dem man ihn fernhält, nehmen.

Und zwar mit den Methoden des Gangsterfilms, mit dem man sozialisiert wurde und der weitaus spannender ist als das Streberspiel namens parlamentarische Demokratie. Zum Leidwesen poststrukturalistischer Politologen hat das Ibiza-Video zudem enthüllt, wie primitiv und simpel die Spiele der Macht ablaufen, bei denen es dann doch zugeht wie bei Bertolt Brecht oder im Mobster-Movie: Zack, zack, zack, wer zahlt, schafft an, Glock, Glock, Glock, Kohle her, Redaktionen stürmen, Staat übernehmen, liberaler Konkurrenzunternehmer, missliebiger Journalist – ihr seid so was von tot.

Permanente Adoleszenz

Der Ethnologe und Psychoanalytiker Mario Erdheim hat die Funktionabilität von Soldaten in der institutionellen Verlängerung ihrer Adoleszenz erkannt, im Stoppen ihres Reifungsprozesses, ihrer Individuation.

Dieser Corpsgeist der ihren Offizieren oder "Leibburschen" ergebenen großen Jungs überträgt sich – mit allen homoerotischen Implikationen – auf die rechte Bewegung, als Sammelbecken für Männer, die nicht mehr erwachsen werden können.

Rechtes Ressentiment war zunächst der Reaktionsmodus des unteren Mittelstands, der sich schon von politischer Reflexion abgehängt hatte, bevor er sich einbildete, auch sozial abgehängt zu werden. Es übertrug sich wie ein schleichendes Gift auf das Gros der werktätigen Massen.

Diese Menschen, denen man mit einem mannigfaltigen Unterhaltungs- und Freizeitangebot die Fähigkeit ausgetrieben hatte, ihre politischen Rechte wahrzunehmen, zu erkämpfen oder zu verteidigen, nahmen die politische Welt nur noch so wahr wie ihre Vorabendserien, Talkshows und Computerspiele: individualisierend, psychologisierend und durch die Emotionen, welche die sogenannten Kandidaten bei ihnen auslösten.

Diese wiederum designten das politische Spiel den Konsumentenwünschen entgegen. Und inszenierten den rebellischen Bruch mit einer völlig richtig als falsch empfundenen, aber falsch gedeuteten Welt.

Kollektive Enthemmung

Wenn die Rechtswähler etwas verstehen, dann, dass sie von der alten liberalen Ordnung nichts mehr zu erwarten haben – sie spüren den postdemokratischen Schein der riesigen Umverteilungsmaschinerie, richten ihre Aggression aber nicht auf die Lüge der Vernünftigkeit dieser Ordnung, sondern auf die Vernunft selbst: die richtige Grammatik, die Menschenrechte, den Rechtsstaat, die Humanität.

Rechte Agitation ist der ständig in den Startlöchern scharrende Zivilisationsbruch, der die kollektive Enthemmung, kollektiven Sadismus mit der Erzählung von Law and Order und alten emotionalen und territorialen Rechten legitimieren soll.

Die Rechtschreibfehler auf FPÖ-Plakaten, eine beliebte Lachnummer fürs Bildungsbürgertum, waren dessen bewusst gesetzte Provokation, sie sagten nichts als: Diese Sprache gehört uns, und wir werden mit ihr machen, was wir wollen, und so wie der Orthografie wird es euch und euren ausländischen Freunden auch ergehen.

Rechte Bewegungen waren stets nicht nur Magnete und Sammelbecken für Kriminelle, Kriminalität ist ihr Bodensatz und Teil ihres Wesens. Sie sind für alle, die sich halb fühlen in der Welt, das Angebot, über die Halbwelt gesellschaftliche Ohnmacht in Macht weißzuwaschen. Wenn das falsche Ganze schon nicht begriffen wird, muss es in Trümmer geschlagen werden, damit die Halbwelt dessen Platz einnehmen kann.

Leichtgewichte und schwere Jungs

Der Polizist mit einem Bein im Dealer- und Rotlichtmilieu, Schieber, Psychopathen, Fremdenlegionäre, Provinzspekulanten, Heimatschützer ... die rechte Bewegung ist die Bewegungszone, wo schwere Jungs sich in angesehene Bürger und langweilige bürgerliche Leichtgewichte sich in schwere Jungs verwandeln dürfen.

Die Dreieinigkeit von Warlord, Plünderer und Raubtierunternehmer, der als nationalpopulistischer Commandante oder Cavaliere ins Parlament einzieht, um dieses zu unterwandern, ist das permanente Ideal der vaterlosen Buberlpartien. Daher die Begeisterung für den serbischen Nationalismus.

All das vereint die Ikonografie auf dem Cover von Straches Propagandabiografie mit dem bezeichnenden Titel Vom Rebell zum Staatsmann, worauf er posiert als – Staatsmann, Rapper und Soldat, der eindeutig Assoziationen mit der Fremdenlegion und Fallschirmeinsätzen wecken will.

Dieser Wandel will sich als Bruch verkaufen, vom faschistischen Rabauken zum würdigen Patrioten. Doch Volksnähe und Nation, Ehre und Anstand sind bloß die Etiketten, an denen das Rudel untereinander sich als tiefverwurzelte Dazugehörige erkennt, wenn es in der permanenten Bartholomäusnacht darum gehen wird, Flachwurzler und fremdes Kraut zu jäten.

Kriminalität und Peinlichkeit

"Wien darf nicht Chicago werden", dekretierte einst jene Partei, die wie keine andere dafür steht, das zivilisatorische Niveau jenes demokratisch abgesicherten, subtileren Gangstertums, das die Enteignung der Massen zugunsten von Konzernen und Banken managt, auf das von Chicago 1927 und vielmehr Moskau 1993 zu senken.

Wie östliche Oligarchen nach ihren Gangsterkriegen um die postsowjetische Verschubmasse als Feudalherren, Nationalfaschisten und richtige Kerle und "richtig schoafe Weiber" posieren, fungiert als das große romantisierte Vorbild der kleinen Jungs, die mit ihren Glocks und ersehnten Mehrheiten an einflussreichen Zeitungen spielen.

Richtige FPÖ-Wähler schrecken Kriminalität und Peinlichkeit nicht ab. Darum haben sie die Partei ja gewählt. Sie wählten ihre eigene Peinlichkeit an die Macht, eine Peinlichkeit, mit der sie sich identifizieren können, um den Preis, sich das letzte Hemd ausziehen zu lassen, und den Deal, dass wenigstens Migranten sich nicht einmal ihrer Haut sicher sein dürfen.

Und wenn sie sich von ihren chronisch adoleszenten Über-Ichs vorübergehend abwenden, dann nicht aus staatsbürgerlicher Einsicht, sondern weil andere Über-Ichs, z. B. Kronen Zeitung und Kurz, sich in dieser Universum-Folge einstweilen durchgesetzt haben.

Kein Grund, sich ihnen überlegen zu fühlen. Denn die kognitive Verzerrung in der politischen Wahrnehmung geht durch alle Bevölkerungs- und Bildungsschichten. Das merkt man vor allem am Wunschdenken, die liberalen Besitzstandwahrer des Kapitals gäben ein zivilisatorisches Bollwerk gegen die rechten Horden ab. Sie sind es, welche die sozialen Flurschäden verantworten, die nun von der braunen Suppe geflutet werden. (Richard Schuberth, 1.6.2019)