Österreichs erste Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein steht vor einer großen Aufgabe.

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Die frühere OH-Vorsitzende Barbara Blaha sieht im Gastbeitrag mit Brigitte Bierlein die Chance gekommen, endlich eine ordentliche Reform der Parteienfinanzierung durchzubringen.

Die erste Bundeskanzlerin steht vor einer großen Aufgabe: Brigitte Bierlein hätte die historische Gelegenheit, die Korrumpierung des demokratischen Systems, die durch Ibiza sichtbar wurde, zu unterbinden.

Es gilt unverzüglich Aufklärungsarbeit zu leisten und Licht ins Dunkel der geheimen Parteienfinanzierung zu bringen – im gesamten politischen Spektrum. Und es wäre wichtig, künftigen Ibizas vorzubauen. Dazu sind vor allem zwei Schritte notwendig: völlige Transparenz bei öffentlicher Auftrags- und Inseratenvergabe und ein Verbot von Großspenden an politische Parteien samt wirksamen Strafen für Verstöße. Österreich leistet sich eine der weltweit kostspieligsten öffentlichen Parteienfinanzierungen. Aus gutem Grund: Parteien sollen eben nicht angewiesen sein auf reiche Gönner und keine Rücksicht nehmen müssen auf deren Interessen. Großspender korrumpieren unsere Demokratie; wenn das Prinzip "Ein Mensch – eine Stimme" Bestand haben soll, muss das enden.

Institutionalisierte Korruption ist Teil des politischen Spiels – und das nicht erst seit Ibiza. Aber Ibiza hat den Blick auf das geschärft, was viele begonnen haben, für normal zu halten. Unter der Führung eines ÖVP-Kanzlers bediente die türkis-blaue Regierung Personen, die der ÖVP zuvor großzügige Spenden hatten zukommen lassen. Im Wahlkampf 2017 gab die ÖVP sechs Millionen Euro mehr aus, als gesetzlich erlaubt ist. Dennoch verweigert die Partei jede Auskunft darüber, woher dieses Geld stammte. Was hat Sebastian Kurz hier zu verstecken? Dass er üppige Präsente von Großindustriellen für legitim hält, verrät uns bereits seine offizielle Spendenliste. Warum also dieses Schweigen über die deutlich überhöhte Wahlkampfsumme? Die bei aller Widerwärtigkeit doch erfrischend offene Ibiza-Konversation lässt immerhin erahnen, was Spitzenpolitiker für üblich halten, wenn sie Superreiche anpumpen: Staatsaufträge, Privatisierungen, Steuererleichterungen.

Bevorzugte Hoteliers

Indizien in diese Richtung liefert die Praxis. So gehörten zu den Gönnern der ÖVP in auffallendem Maße heimische Hoteliers. Ob es reiner Zufall war, dass die Regierung Kurz flugs das Fortbestehen miserabler Löhne in der Gastronomie sicherstellte, indem sie diese großzügig in der Liste der Mangelberufe berücksichtigte? Oder dass sie die gesetzlichen Mindestruhezeiten für die Beschäftigten im Fremdenverkehr drastisch kürzte? Dass sie die Mehrwertsteuer auf Hotelübernachtungen von 13 auf zehn Prozent senkte, allein das ein jährliches Geschenk von geschätzten 120 Millionen Euro?

Wenn es nun darum geht, dass ein Parlament ohne Klubzwang zur Abwechslung Dinge beschließen könnte, die arbeitenden Familien nützen würden, bricht das große Wehklagen aus: Man könne doch keine Wahlzuckerln verteilen! Was tut es, dass die Regierung Kurz sich nicht aufs Zuckerlverteilen beschränkt, sondern gleich die Bonbonniere ins – freilich: erlesene – Publikum geschleudert hat? Ein Blick zurück: Ein Drittel des ÖVP-Parteispenden kam aus der Immobilienbranche. Ob es abermals eine reine Koinzidenz war, dass die Regierung Kurz anschließend einen Steuertrick zur Umgehung der Grunderwerbssteuer legalisierte – und damit Budgetmillionen verschenkte?

Die Liste der Goodies für das große Geld ließe sich fortsetzen. Branchenübergreifend gefreut haben dürfte sich die Riege der begüterten ÖVP-Fans etwa über den Entfall von Überstundenzuschlägen durch die Einführung des Zwölfstundentags wie auch über die geplante Steuerreform, die unter anderem vorsah, zugunsten der Unternehmen die Körperschaftssteuer weiter zu senken.

Geschenke an die Reichen

Wer das zahlt? Wir alle, die einen Wohlfahrtsstaat brauchen. Die Geschenke an die Reichen bringen den nämlich um seine finanzielle Grundlage. Und natürlich zahlen unsere Kinder. Im Kontext politischer Korruption ist nämlich nicht nur die direkte, sondern auch die indirekte Vorteilsgewährung zu berücksichtigen. Die FPÖ leugnet den Klimawandel rundweg. Die ÖVP anerkennt dagegen zwar das Faktum der Erderwärmung, handelt aber nicht danach. Nicht nur, dass Industrie, Landwirtschaft und Frächterlobby weiter auf den Klimazielen herumtrampeln, es kommen nach derzeitigem Stand der Dinge auf das Klimaschutz-Schlusslicht Österreich bis 2030 auch noch 6,6 Milliarden Euro Strafzahlungen zu. Wer die wohl bezahlen wird? Die Multis? Die ÖVP? Oder abermals: wir?

Wer, wenn nicht eine Verfassungsrichterin wäre berufen, angesichts all dieser Missstände den demokratischen Kerngedanken unserer Verfassung zu schützen und den Einfluss des großen Geldes wirksam zurückzudrängen? Es wäre gar nicht schwer: Schon ein gesetzliches Verbot von Großspenden, völlige Transparenz bei der öffentlichen Auftragsvergabe und empfindliche Strafen im Fall von Verstößen wären ein großer Schritt nach vorn. Die Zeit dafür ist günstig: Wer sollte es wagen, sich dem – zumal vor Wahlen – zu widersetzen? (Barbara Blaha, 1.6.2019)