Mäuse mit veränderter Darmflora produzieren weniger Taurin und 5-Aminovaleriansäure. Hier könnten neue Therapien ansetzen.

APA / Hans Klaus Techt

Pasadena/Wien – In unseren Därmen leben Milliarden von Mikroben. Als Gegenleistung für Feuchtigkeit, Wärme und Ernährung helfen uns die Bakterien, die Nahrung zu verdauen und damit das Immunsystem sowie den Stoffwechsel in Schuss zu halten. Je nach Ernährung, Alter und Lebensstil tragen wir unterschiedliche Darmbakterienarten in uns.

Die Zusammensetzung dieser Populationen dürfte viel größere Auswirkungen auch auf unsere psychische Gesundheit haben, als die Forschung noch vor wenigen Jahren vermutete. So werden mittlerweile auch Depressionen mit der Zusammensetzung der Darmbakterien in Verbindung gebracht. Eine neue Studie an Mäusen stellt nun sogar Zusammenhänge zwischen dem Mikrobiom im Verdauungstrakt und autistischen Symptomen her.

Fäkaltransplantete für Mäuse

Forscher um Sarkis Mazmanian (California Institute of Technology) haben einigen Nagern Stuhlproben von Kindern transplantiert, die unter schweren Formen von Autismus leiden. Nachdem das Team sichergestellt hatte, dass die transplantierten Darmbakterien im Verdauungstrakt der Tiere aktiv waren, verglichen sie deren Verhalten mit dem einer Mäusekontrollgruppe, die keine fremden Darmbakterien erhalten hatte.

Die Resultate waren eindeutig, wie die Forscher im Fachblatt "Cell" berichten. Mäuse mit den Fäkaltransplantationen zeigten alle drei typischen Symptome autistischen Verhaltens: weniger Interaktionen mit den Artgenossen als die Mäuse der Kontrollgruppe, weniger Kommunikation in Form von Ultraschalllauten, dafür aber mehr "Ticks" in Form von wiederholten Bewegungen.

Offensichtliche Auswirkungen

Mazmanian ging mit seiner Gruppe aber auch den Auswirkungen des veränderten Mikrobioms auf den Stoffwechsel nach und wurde fündig: Laut den Forschern zeigten sich bei den betroffenen Mäusen Veränderungen in der Genexpression im Gehirn sowie geringere Mengen an Taurin und 5-Aminovaleriansäure (5AV) im Blut der Tiere.

Dass diese Mängel mit Autismus im Zusammenhang stehen dürften, legte ein Folgeexperiment nahe. Dafür verabreichten die Forscher einer Gruppe von Mäusen, die von sich aus autistisches Verhalten zeigten, eine Extradosis Taurin und 5AV. Tatsächlich verbesserten sich dadurch die sozialen Fähigkeiten der Tiere und deren Ticks gingen zurück.

"Keine falschen Hoffnungen"

Dennoch geben sich die Mikrobiologen zurückhaltend, was die Anwendung der gewonnenen Erkenntnisse beim Menschen betrifft. "Wir wollen den Betroffenen und ihren Angehörigen keine falschen Hoffnungen machen", so Mazmanian. Man habe bloß eine mögliche neue Strategie zur Therapie von Autismus aufgezeigt, die an Menschen erst mit aller Vorsicht getestet werden müsse. (tasch, 2.6.2019)