Diese Studie könnte im gerade einsetzenden Wahlkampf noch hohe Wellen schlagen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo hat soeben eine umfassende Analyse über die Umverteilungswirkungen von Steuern, Sozialabgaben und staatlichen Transferleistungen in Österreich veröffentlicht.

Im Kern haben die Ökonomen einige gute Nachrichten für das Land parat: Die Ungleichheit bei den Einkommen in Österreich ist nach einem langen Anstieg seit dem Jahr 2000 erstmals wieder gesunken. Die Kluft zwischen Spitzenverdienern und dem Rest der Gesellschaft wird also kleiner.

Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, haben die Wifo-Forscher rund um die Ökonominnen Silvia Rocha-Akis und Christine Mayrhuber die heimische Bevölkerung in drei Gruppen eingeteilt. In solche mit hohen, mittleren und niedrigen Einkommen. Dann haben sie analysiert, wie sich die Einkommen entwickelt haben. Dabei zeigt sich, dass die Haushalte im oberen Drittel im Vergleich zum Jahr 2010 um ein Prozentpunkt weniger zur Verfügung haben. Im unteren und mittleren Drittel ist das Primäreinkommen um 0,4 und 0,6 Prozentpunkte gestiegen.

In dieser Analyse werden neben dem Entgelt aus selbstständiger und unselbstständiger Arbeit auch Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, Zinsen- und Dividendenerträge sowie Pensionen eingerechnet.

Mehr Jobs für Arme

Ein Teil dieser Entwicklung ist laut den Wifo-Expertinnen darauf zurückzuführen, dass die Zahl der unselbstständig Beschäftigten besonders im unteren Einkommensdrittel gestiegen ist. Mehr Menschen, die vormals zum Beispiel Arbeitslosengeld bezogen haben, arbeiten nun und verdienen damit besser. Auch das ist eine gute Nachricht.

Hinzu kommt aber ein zweiter Effekt – der schon nicht mehr positiv ist. Die Wifo-Studie untersucht den Zeitraum seit 2010 und bildet damit auch die Phase der Wirtschaftskrise ab. Die Einnahmen der Österreicher aus Dividenden von Unternehmensgewinnen sind im Untersuchungszeitraum zurückgegangen, und wegen der niedrigen Zinsen werfen auch Sparbücher weniger ab. Dies trifft besonders Reiche, also Menschen im oberen Drittel der Einkommensverteilung. Sie haben real weniger Geld zur Verfügung, was ebenfalls zur Reduktion der Einkommenskluft beigetragen hat.

Die großen Verlierer

Schließlich gibt es aber eine dramatische Entwicklung, auf die das Wifo aufmerksam macht: Wenngleich österreichweit die Ungleichheit zurückgegangen ist, verbirgt sich dahinter eine völlig heterogene Entwicklung. Vor allem in Haushalten, in denen ältere Menschen und Pensionisten leben, haben die Einkommen deutlich zugelegt.

Dagegen mussten insbesondere junge Familien mit Kindern zum Teil deutliche Einkommensverluste hinnehmen: Immer mehr rutschen sozial ab. Der Anteil der jungen Haushalte mit Kind im unteren Einkommensdrittel stieg seit 2010 um 7,1 Prozent an. Im oberen und mittleren Drittel ging dieser Anteil entsprechend stark zurück.

Steigende Armutsgefährdung

Diese Entwicklung hat auch Auswirkungen auf die Armutsgefährdung. Während österreichweit 15,5 Prozent der Haushalte armutsgefährdet sind, steigt diese Zahl auf 22,3 Prozent für junge Familien mit Kindern. Noch im Jahr 2010 lag in dieser Gruppe die Armutsgefährdung deutlich niedriger, bei 19,1 Prozent.

Zu jungen Familien mit Kind gehören all jene Haushalte, in denen der Hauptverdiener unter 45 Jahre ist. Basis für diese Analyse sind Erwerbs- und Vermögenseinkommen. Berücksichtigt werden aber auch Sozialleistungen wie die Mindestsicherung und Familienbeihilfen sowie geleistete direkte Steuern und Abgaben.

Nicht ganz klar ist, worauf diese Entwicklung zurückzuführen ist. Die Ökonomin Rocha-Akis geht davon, dass eine Veränderung stattgefunden hat: Während ältere Menschen stabil beschäftigt geblieben sind und Pensionisten keine Einbußen hatten, deuten andere Studien des Wifo darauf hin, dass vor allem unter jungen Menschen die Jobsituation unsicherer geworden sind. So gibt es häufiger Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit. Der Übergang von einer Ausbildung zu einem Job ist länger. Das dürfte besonders junge Familien treffen, so Rocha-Akis.

Niedrige Einkommen als Problem

Die Wifo-Untersuchung ist die umfassendste ihrer Art zu Sozialstaat und Steuern in Österreich. Sie basiert zu einem großen Teil auf Daten, die von mehr als 6000 Haushalten erhoben werden. Die aktuelle Untersuchung erfasst den Zeitraum bis 2015 – das letzte Jahr, für das alle nötigen Zahlen vorliegen. Die Migrationswellen nach 2015 sind also nicht berücksichtigt. Dass aus Syrien, dem Irak und Afghanistan viele junge Familien gekommen sind, die über kein Einkommen verfügen, erklärt die Entwicklung also nicht.

Was lässt sich gegen den Abstieg der Familien unternehmen? Auch hier bietet die Wifo-Analyse interessante Einblicke. Junge Familien mit Kindern profitieren bereits mehr als alle anderen Gruppen von Umverteilung, sagt Studienautorin Rocha-Akis. Das Problem seien nicht die Sozialleistungen, sondern dass viele Familien ein zu niedriges Erwerbseinkommen erzielten.

Was der Familienbonus bewirkt – und was nicht

Die türkis-blaue Regierung hat den Familienbonus geschaffen. Jeder Familie stehen pro Kind 1500 Euro Gutschrift für die Einkommensteuer ab 2019 zu. Diese Zahlungen sind also noch nicht in der Wifo-Analyse berücksichtigt. Werden sie etwas an der Armutsbetroffenheit ändern?

Der Bonus hilft nur jenen Familien, die ein entsprechend hohes Erwerbseinkommen erzielen, also so viel Steuern zahlen, dass sie den Bonus nutzen können. Für Alleinverdiener, die wenig verdienen, gibt es pro Kind eine Extraabzugsmöglichkeit von 250 Euro. Alle Übrigen, die keine Lohnsteuer zahlen, profitieren nicht.

Familien ohne Erwerbseinkommen, und vor allem diese werden armutsgefährdet sein, hilft der Bonus also nicht. Ein Blick auf die gesamte Steuerbelastung der Menschen zeigt generell, dass die Einkommensteuer für viele Haushalte nur eine kleine Rolle spielt. Rund 40 Prozent der Haushalte sind von indirekten Steuern, besonders der Umsatzsteuer, stärker belastet als durch Einkommensteuern.

Zum Schluss zeigen die Wifo-Ökonomen eine umfassendere Betrachtung dazu, wer netto mehr Steuern und Abgaben zahlt als öffentliche Leistungen bezogen werden. Der Budgetdienst des Parlaments hat zuletzt mit einer Studie für Aufsehen gesorgt, die zum Ergebnis kam, dass 70 Prozent der Österreicher Nettoempfänger sind – und nur 30 Prozent Nettozahler.

In diesen Zahlen waren aber nur direkte Steuern und Sozialversicherungsbeiträge eingerechnet, nicht indirekte Steuern. Zugleich fehlten Sachleistungen (etwa für Bildung, Gesundheit). Das Wifo kommt unter Berücksichtigung all dieser Faktoren zum Ergebnis, dass 60 Prozent der Haushalte Nettozahler sind. Rechnet man Pensionen als Sozialleistungen, so wie der Budgetdienst, reduziert sich diese Zahl auf 40 Prozent. (András Szigetvari, 1.6.2019)