Wer hat Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus nach Ibiza gelockt? Noch immer gibt es viele offene Fragen

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Vierzehn Tage ist es mittlerweile her, dass das plötzlich aufgetauchte Ibiza-Video ein innenpolitisches Beben ausgelöst hat, dessen Schockwellen schließlich zum Aus der türkis-blauen Koalition und zu Neuwahlen geführt haben. Seither gibt es eine neue designierte Bundeskanzlerin und einen neuen FPÖ-Chef, doch in der Causa Ibiza bleibt noch vieles im Dunkeln.

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Es ist jene Zeit nach einer medialen "Bombe", in der nahezu im Stundentakt Hinweise auf mögliche Beteiligte und Auftraggeber in den Redaktionen eintrudeln. Jene Zeit, in denen sich Detektive in Hotellobbys und Parks mit Reportern treffen und gesprächsfreudige Politiker ihre ganz eigenen Interpretationen der Causa zur Verfügung stellen.

Geht man den Spuren nach, die angeblich "Eingeweihte" weitergeben, stößt man auf Firmengeflechte, auf Facebook-Verbindungen und vor allem auf eine Kakofonie an Gerüchten, die einander oft widersprechen. "Gehen Sie zurück zum Ursprung", lautet ein Tipp, den einem die Detektive auf den Weg geben.

Der Lockvogel in Ibiza

Also, der Ursprung: Nach dem Tod des einstigen FPÖ-Politikers John Gudenus im September 2016 meldet sich eine angeblich lettische Oligarchennichte beim damaligen Wiener Vizebürgermeister Johann Gudenus (FPÖ). Sie verspricht, in Österreich – und in die FPÖ – investieren zu wollen. Im Juli 2017 kommt es dann zu einem folgenreichen Treffen auf Ibiza, an dem der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, Gudenus, der Lockvogel sowie ein deutscher Detektiv namens Julian H. teilnehmen.

Strache und Gudenus wirken wie in einem Machtrausch, sie besprechen mit dem Lockvogel Fantasien, das heimische Trinkwasser zu verscherbeln und Anteile an der Krone zu kaufen, um – zack, zack, zack – einige Journalisten auszutauschen. Man verabschiedet sich, Gudenus bleibt weiter mit dem Lockvogel in Kontakt und verschickt auf dessen Wunsch noch im September 2017 eine Aussendung.

Schon in den Wochen darauf wird das Video einigen Personen angeboten; der deutsche Satiriker Jan Böhmermann dürfte schon vor April 2018 Kenntnis davon gehabt haben. Doch anderthalb Jahre über passiert nichts, bevor das Video dann bei Spiegel und Süddeutscher Zeitung auftaucht. Zurück zum Ursprung: Als Anbieter für das Video soll der Wiener Anwalt M. fungiert haben. Der gibt über seinen eigenen Anwalt zu, mit dem "zivilgesellschaftlich motivierten Projekt" zu tun zu haben. Schnell kristallisiert sich ein Bekanntenkreis rund um M. heraus: Dazu gehörte einst der Kremser Detektiv Sascha Wandl sowie der Münchner Detektiv Julian H., der mit auf Ibiza war und im Video zu sehen ist.

Bodyguard im Zwielicht

Sie sollen schon seit Jahren immer wieder mit M. zusammenarbeiten, etwa einst für ein österreichisches Industrieunternehmen. Auch Teil der Clique: Straches Leibwächter Oliver R., der mit dem Konsul von Dschibuti in Wien eine Security-Firma betreibt. Versuchte die Gruppe, über R. Informationen zu Strache herauszufinden? Einige, auch aus der FPÖ, deuten rasch mit dem Finger auf Straches einstigen Bodyguard. Andere beteuern, dass R. "jederzeit eine Kugel für H.-C. abfangen würde".

Irgendwann kam es zum Bruch zwischen M., H. und Wandl. Das geht aus einer Selbstanzeige hervor, die Wandl 2016 eingebracht hat. Darin beschuldigt er sich und andere wie den Münchner Detektiv H., im Auftrag der österreichischen Industriefirma einen Konkurrenten ausspioniert zu haben. M., der durch Wandls Vermittlung Rechtsberater dieses Konzerns war, bleibt an der Seite der Firma.

Die Kooperation zwischen Wandl und den anderen Beteiligten wird beendet. Wandl tourt seit Ibiza durch Fernsehsender und Medien, um von seinen ehemaligen Kollegen und deren Opus magnum auf Ibiza zu erzählen. In wenigen Wochen wird der Münchner Detektiv H. in einem Prozess gegen Wandl aussagen.

Ex-Militär, Ex-Polizei

Doch wer ist Wandl? Mit dem STANDARD möchte er nur gegen den Erhalt von Spesengeldern sprechen. Ein Blick ins Firmenbuch zeigt, dass er honorige Geschäftspartner hatte, etwa einen einstigen Milizbrigadier des Bundesheeres, der Wandls frühere Sicherheitsfirma führte, bevor er den Posten zurücklegte, "um Schaden für seine Gesundheit abzuwenden" . Er hat, wie einige andere Beteiligte, keine einzige Spur im Netz hinterlassen – im Unterschied zu einem Ex-Polizisten, der ebenfalls mit Wandl eine Firma besaß.

Der einstige Drogenfahnder, der an Wandls Firma beteiligt war, zeigt auf Facebook öffentlich seine Urlaubsfotos aus Ibiza vom Juli 2017, wo er mit Freunden und Familie wochenlang unterwegs war. Ob er etwas mit dem Ibiza-Video zu tun hat? Er ist, ebenso wie viele andere in diesem Fall, nicht für eine Stellungnahme erreichbar. Nun könnte es Schlag auf Schlag gehen, zumindest was die direkt an der Videoproduktion Beteiligten betrifft: Die Staatsanwaltschaft Wien hat vergangene Woche Ermittlungen eingeleitet. Sie dürfte nun binnen kurzer Zeit dahinterkommen, wer Flugtickets nach Ibiza gekauft und die Finca auf der spanischen Insel gemietet hat. Aus dem Innenministerium ist zu hören, dass sogar eine eigene "Soko Ibiza" eingerichtet werden könnte. Bis zum Entdecken des wahren Auftraggebers könnte es freilich noch dauern. (Fabian Schmid, Laurin Lorenz)