Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat die vergangenen Tage dafür genutzt, jene Expertinnen und Experten genauer unter die Lupe zu nehmen, die ihm die künftige Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein als Übergangskabinett vorgeschlagen hat.

Die Regierungschefin hat dabei offenbar nicht nur auf fachliche Kompetenz, sondern auch auf politische Ausgewogenheit geachtet. Um auch der SPÖ, die gemeinsam mit der FPÖ vor einer Woche die Regierung Kurz gestürzt hat, entgegenzukommen, sollen mehrere Regierungsmitglieder aus dem Umfeld der Sozialdemokratie bestellt werden.

Suche nach Innenminister

Das Kabinett Bierlein I wird wie erwartet vor allem aus Spitzenbeamten bestehen. Eine Personalie sorgte bis zuletzt für Diskussionen: Das nach der Ministerschaft von Herbert Kickl (FPÖ) als besonders heikel eingestufte Innenministerium war von Eckart Ratz binnen Tagen in ruhigeres Fahrwasser gesteuert worden. Der noch von Sebastian Kurz eingesetzte Innenminister hatte auch von der Opposition Anerkennung bekommen, speziell gelobt wurde er von Peter Pilz von der Liste Jetzt. Allerdings hatte sich der vom Nationalrat am vergangenen Montag beschlossene Misstrauensantrag gegen die gesamte Regierung (also auch gegen Ratz) gerichtet. Ratz im Amt zu behalten, könnte daher als Provokation des Parlaments verstanden werden.

Neuer Kandidat

Daher begab sich die designierte Bundeskanzlerin auch im Sicherheitsbereich auf Personalsuche – und wurde in Oberösterreich fündig. Als Ratz-Nachfolger wurde der oberösterreichische Landespolizeidirektor Andreas Pilsl auserkoren. Dieser war im Kabinett des damaligen Innenministers Ernst Strasser tätig und war für dessen Personalpolitik zuständig. Die Installierung Pilsls als Innenminister wurde von Pilz als der Versuch der ÖVP gewertet, das Innenministerium von der FPÖ wieder zurück in den Besitz der eigenen Partei zu bringen. Gedacht wurde daran, Pilsl einen Staatssekretär zur Seite zu stellen – was aber im Sinne der Sparsamkeit verworfen wurde. Am späten Sonntagnachmittag wurde daher Wolfgang Peschorn, der Leiter der Finanzprokuratur, als neuer Chef im Haus in der Herrengasse fixiert.

Peschorn hatte im Auftrag des damaligen Verteidigungsministers Hans Peter Doskozil (SPÖ) den Flugzeughersteller Airbus bei der Staatsanwaltschaft angezeigt, weil er dem Unternehmen beim Abschluss des Eurofighter-Kaufvertrags einen Betrug – nämlich die Täuschung über den Kaufgegenstand und den Wert – unterstellt.

In den meisten anderen Bereichen werden Spitzenbeamte aus den jeweiligen Ministerien mit der Führung ihres eigenen Ressorts betraut. Sozialministerin wird die bisherige Sektionschefin im Sozialressort, Brigitte Zarfl – sie gilt als "rot". Finanzminister wird der der ÖVP zugerechnete Leiter der Sektion I im Finanzressort, Eduard Müller. Er übernimmt auch die Agenden für öffentlichen Dienst und Sport aus dem Vizekanzleramt.

Inklusive der Bundeskanzlerin besteht die Bierlein-Regierung jeweils zur Hälfte aus Frauen und Männern. (cs, pm, 2.6.2019)

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Brigitte Bierlein wird Österreichs Bundeskanzlerin. -> Porträt von Brigitte Bierlein

Foto: Reuters

Alexander Schallenberg wird Außenminister und Europaminister. Zusätzlich erhält er die Agenden für Kunst, Kultur und Medien, die zuvor Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) betreute. ->Porträt von Alexander Schallenberg.

Foto: Bundeskanzleramt

Clemens Jabloner wird Justizminister und Vizekanzler -->Porträt von Clemens Jabloner

Foto: APA/Hochmuth

Thomas Starlinger wird Verteidigungsminister.

Ins Ministerbüro in der Rossauer Kaserne zieht der bisherige Adjutant des Bundespräsidenten, Generalmajor Thomas Starlinger, ein. Starlinger gilt als Mann der Truppe, der Oberösterreicher (Jahrgang 1963) war als Kommandant der 7. Jägerbrigade in Kärnten tätig und mehrfach in internationalen Einsätzen. Im Jänner 2017 wurde er Adjutant bei Alexander Van der Bellen, dem er Rat in militärischen Angelegenheiten gegeben hat – ihm wird zugeschrieben, dass sich der Oberbefehlshaber für ein höheres Heeresbudget ausgesprochen hat.

Foto: APA/Bundesheer

Eduard Müller wird Finanzminister.

Der neue Finanzminister ist unter Vor-Vorgänger Hans Jörg Schelling (ÖVP) als Leiter der Präsidialsektion ins Ministerium zurückgeholt worden. Zuvor war Eduard Müller zum stellvertretenden Leiter der Sektion IV aufgestiegen, hatte sich aber dem Vernehmen nach mit Ministerin Maria Fekter überworfen. Es schloss sich eine Tätigkeit als Leiter des auf Rechtsthemen spezialisierten Linde-Verlags an. Dem Verlag blieb Müller als Autor weiter erhalten: Der neue Finanzminister ist der Verfasser des "Steuersparbuchs".

Foto: APA

Brigitte Zarfl wird Sozialministerin.

Die Niederösterreicherin Brigitte Zarfl wechselte nach ihrer universitären Karriere als Naturwissenschafterin zunächst zur damaligen Ministerin Lore Hostasch (SPÖ) ins Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit. Dort befasste sie sich vorrangig mit EU-Themen. Unter Rudolf Hundstorfer stieg sie zur Leiterin der Präsidialsektion des nunmehrigen Sozialministeriums auf. In der neuen Regierung wird die Mutter zweier Kinder als Signal an die SPÖ gewertet, die das Sozialministerium stets als gewerkschaftliche Domäne sah.

Foto: Sozialministerium

Iris Eliisa Rauskala wird Bildungsministerin, wie DER STANDARD berichtete.

Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird Iris Eliisa Rauskala (41). Die in Helsinki geborene Wirtschaftswissenschafterin leitet seit Juli 2018 die Präsidialsektion im BMBWF. Sie kennt die Arbeit in Ministerbüros aus erster Hand: Von 2009 bis 2011 war sie Referentin bei Johannes Hahn, Beatrix Karl und Karlheinz Töchterle (alle ÖVP). Nach vier Jahren an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften holte sie damals, 2015, Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) als Sektionsleiterin in sein Ressort.

Foto: Andy Wenzel/BKA

Innenminister wird Wolfgang Peschorn.

Wolfgang Peschorn, bisher Präsident der Finanzprokuratur, wird neuer Innenminister. Seit 2006 leitete der Jurist die Finanzprokuratur, die Anwaltskanzlei der Republik. In dieser Funktion war er in Sachen Eurofighter-Vertrag Berater des Verteidigungsministeriums – er hat dem damaligen Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil die Argumentation für die Anzeige gegen den Eurofighter-Hersteller ausgearbeitet. Kleines Detail: Peschorn (Jahrgang 1966) hat auch eine Ausbildung zum Klarinettisten.

Foto: APA/Neubauer

Ines Stilling wird Familien- und Frauenministerin.

Für das Familien- und Frauenministerium holt sich Kanzlerin Brigitte Bierlein eine echte Fachfrau: Bisher war die neue Ministerin Ines Stilling Leiterin der Sektion II für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung im Bundeskanzleramt – auch unter Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Die 1976 in Graz geborene Juristin hat ihre Karriere im Frauenministerium begonnen. Sie arbeitete als Fachexpertin unter Frauenministerin Doris Bures und später als Büroleiterin bei Bures-Nachfolgerin Gabriele Heinisch-Hosek (beide SPÖ).

Foto: Parlamentsdirektion

Elisabeth Udolf-Strobl wird Wirtschaftsministerin.

Eine Spitzenbeamtin wird nun Chefin im eigenen Ministerium: Elisabeth Udolf-Strobl soll ab nun die Geschicke des Wirtschaftsministeriums lenken. Bisher war sie dort Leiterin der Sektion Tourismus und Historische Objekte (etwa für das Schloss Schönbrunn). Udolf-Strobl (Jahrgang 1956) arbeitete ab dem Jahr 1991 im Kabinett von Wirtschaftsminister Wolfgang Schüssel (ÖVP). Als dieser ins Außenministerium wechselte, ging sie mit. Wirtschaftsminister Hannes Farnleitner (ÖVP) holte sie als Kabinettschefin.

Foto: BDMW/Thule G. Jug

Andreas Reichhardt wird Verkehrsminister.

Eben noch Generalsekretär unter Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ), jetzt dessen Nachfolger: Andreas Reichhardt übernimmt das Ressort. Der 1968 geborene Wiener ist Jurist. Nach der Ernennung zum Generalsekretär berichtete "Profil" bereits 2017 über rechtsextreme Wehrsportübungen Reichhardts, gemeinsam mit dem Ex-FPÖ-Parteivorstizenden Heinz-Christian Strache. Er hat als parlamentarischer Wirtschaftsreferent im Büro des Zweiten beziehungsweise Dritten Nationalratspräsidenten Thomas Prinzhorn (FPÖ) gearbeitet. Ab dem Jahr 2005 war er als Sektionschef der Sektion III Innovation und Telekommunikation tätig. Reichhardt war auch stellvertretender Kabinettchef bei FPÖ-Verkehrsminister Hubert Gorbach. Reichardt ist Mitglied der Burschenschaft Grenzlandsmannschaft Cimbria Wien.

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Maria Patek wird Landwirtschaftsministerin.

Landwirtschaftsministerin wird Maria Patek, die im Ministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus zuerst die Sektion Wasserwirtschaft und seit dem Vorjahr die Sektion III (Forstwirtschaft und Nachhaltigkeit) geleitet hat. Patek, Jahrgang 1958, wurde in der Steiermark geboren, sie studierte an der Universität für Bodenkultur sowie der Uni Salzburg und war im Landwirtschaftsministerium für die Wildbach- und Lawinenverbauung zuständig. Umweltschützer rechnen ihr hoch an, dass sie in diesem Bereich für Ökologisierung gesorgt hat.

Foto: Jagd Österreich