Wir sind ja schon einiges gewöhnt; wir wundern uns kaum noch, was alles möglich ist; auch die Existenz und Gültigkeit alternativer Fakten kosten uns oft nur noch ein kurzes Schulterzucken. Umso magischer sind nach einem Tag ganz normaler Absurditäten jene Momente, in denen wir mit besonders viel Fantasie konfrontiert werden – gemütlich zurückgelehnt, zur selbstgewählten Sendezeit.

Brit Marling, in Personalunion Drehbuchautorin und Hauptdarstellerin der Netflix-Serie The OA, schafft so etwas: Sehen wir da einen Thriller, in dem es um das Schicksal der Tochter (nicht Nichte!) eines russischen Oligarchen geht? Oder ein Arthouse-mäßig gemachtes Roadmovie, in dem eine Gruppe Jugendlicher nach dem Sinn des Lebens und einer verschwundenen Freundin sucht? Oder vielleicht doch Science-Fiction, die halt nicht im zukünftigen Weltraum spielt, sondern im Hier und Jetzt? Doch was ist "hier", was "jetzt"? Und was, wenn es sich nicht um verschiedene, sondern immer um dieselben Personen handelt?

Bankerin bei Goldman Sachs

Im echten Leben war Brit Marling drauf und dran, als Bankerin bei Goldman Sachs so richtig durchzustarten, als sie dann doch etwas anderes machen wollte: nämlich Filme – das erzählte sie einmal dem STANDARD. Und da die meisten Drehbücher einfach nur schlecht waren, begann sie, fortan ihre Rollen selbst zu schreiben.

Foto: Netflix

Mit The OA ist das hervorragend gelungen – und der Cliffhanger am Ende von Staffel zwei lässt erahnen, dass ihr sowie Co-Autor und Regisseur Zal Batmanglij noch viel einfällt, über das wir uns noch wirklich wundern können. (Gianluca Wallisch, 3.6.2019)