Markus Lackner war kurz abwesend, aber nicht bewusstlos.

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Graz – "Er hat eine kurze Absence gehabt, war geistig kurz abwesend. Aber es war keine Bewusstlosigkeit." Maximilian Kerl ist froh darüber, dass ihn der STANDARD zu jener Causa befragt, die seit Sonntagabend vor allem in den sozialen Medien unter "Der Fall Lackner" firmiert. Angenehm ist die Geschichte für Kerl ja nicht. Der Unfallchirurg am UKH Graz sieht sich Kritik ausgesetzt, weil er Sturms Verteidiger Markus Lackner nach einem Zusammenstoß mit Rapid-Stürmer Aliou Badji nicht vom Feld genommen hatte, sondern weiterspielen ließ.

Die für Kerl "unangenehme Situation", muss man hinzufügen, ist weniger durch den Zusammenstoß als durch Aussagen der Trainer nach Schlusspfiff hervorgerufen worden. Da sagte Sturm-Coach Roman Mählich, Lackner habe "in der Halbzeit nicht gewusst, was abgerannt ist. Er hat aber irgendwie durchgebissen. Wir hatten da schon einen Engpass." Man habe "das in Kauf genommen" und "so durchgedrückt". Und Rapid-Coach Dietmar Kühbauer pudelte sich auf: "Bei mir hätte er nicht weitergespielt."

Der Klubarzt vermutet, Mählich habe generell das Engagement betonen wollen, mit dem die Sturm-Kicker bei der Sache waren. Er, Kerl, habe sich jedenfalls keinen Vorwurf zu machen. Als er Lackner gleich nach dessen Zusammenstoß untersuchte, sei dieser "zeitlich und örtlich voll orientiert gewesen". Ihm liege als Mediziner in einem solchen Moment nicht das Wohl von Sturm Graz, sondern nur das Wohl des Patienten am Herzen. "Und es hat mich niemand unter Druck gesetzt, dass Lackner weiterspielen sollte. Da könnte man mich auch gar nicht unter Druck setzen. "

Check, Re-Check, Double-Check

Schädelverletzungen seien "natürlich sehr ernst zu nehmen". Kerl sagt, er habe in der ersten Spielhälfte nicht viel vom Match mitbekommen, weil er sich fast ausschließlich auf Lackner konzentrierte. "Es gab keinen einzigen Hinweis darauf, dass es ein neurologisches Defizit geben würde. Wir hatten auch mehrmals Kontakt. Er hat jedes Mal versichert, er könnte hundertprozentig weiterspielen." In der Pause habe man Lackner "anständig neurologisch durchgecheckt", dieser sei nach dem Spiel zur Sicherheit auch noch im UKH Graz untersucht worden. Kerls Conclusio: "Es hat keine Sekunde Gefahr bestanden."

In den USA wird viel über die Problematik schwerer Gehirnerschütterungen vor allem im American Football, aber auch im Eishockey diskutiert. Der Film "Concussion" (2015) hatte den Fall von Mike Webster beschrieben, einem Footballer der Pittsburgh Steelers, bei dessen Obduktion 2002 die Chronisch-traumatische Enzephalopathie (CTE) erstmals diagnostiziert wurde. Das Leiden entsteht durch schwere Hirntraumata, es soll mittlerweile bei hundert verstorbenen Footballern nachgewiesen worden sein. Viele ehemalige und aktuelle Profis dürften damit leben, Depressionen und Demenz können die Folge sein.

Kopfbälle als Gefahr?

Im Fußball kommen Gehirnerschütterungen in der Relation klarerweise selten vor. Doch nicht nur den Sturm-Graz-Arzt Maximilian Kerl würde in dem Zusammenhang auch interessieren, wie sich hunderte Kopfbälle pro Saison auf die Gesundheit eines Menschen auswirken können. Kerl: "Ich gehe nicht davon aus, dass die Fußballregeln grundlegend verändert werden." In den USA allerdings haben erste Untersuchungen vor allem im Nachwuchsbereich bereits zu einem Kopfballverbot für Kinder unter elf Jahren geführt. (Fritz Neumann, 3.6.2019)