Laurent Wauquiez zog die Konsequenz aus dem schlechtesten Wahlresultat und gab den Parteivorsitz der Republikaner ab.

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Sie war die einst prägende Partei im Nachkriegsfrankreich, eine gaullistische Volksbewegung, die in zahllosen Rathäusern und die meiste Zeit auch im Elysée-Palast regierte. Jetzt sind die Republikaner, wie sie sich seit der Ära von Nicolas Sarkozy nennen, "in Fetzen", wie die Zeitung "Le Monde" kommentiert. Bei den Europawahlen von Ende Mai sackte die konservative Massenpartei, die bei Parlamentswahlen auch schon über 38 Prozent erzielt hatte, auf 8,5 Prozent der Stimmen ab. Besonders grausam: Die Rechtsextremen um Marine Le Pen, die historisch im Schatten der Gaullisten gestanden hatten, erzielten mit ihrem "Rassemblement National" (RN) fast dreimal so viele Stimmen.

Republikaner-Chef Laurent Wauquiez zog am Sonntagabend die einzige mögliche Konsequenz aus dem schlechtesten Wahlresultat seiner Bewegung: Er gab seinen Parteivorsitz ab und erklärte, er wolle sich in die Lokalpolitik in Lyon zurückziehen.

Falsche strategische Aufstellung

Der 44-jährige Vertreter des rechten Parteiflügels zahlt damit auch die Zeche für eine falsche strategische Aufstellung: Da Präsident Emmanuel Macron die politische Mitte besetzt, nahm Wauquiez Kurs auf rechts und versuchte, den Lepenisten das Wasser abzugraben. Das konnte nur ins Auge gehen: Wie schon Le Pens Vater Jean-Marie erklärt hatte, ziehen die Franzosen das Original der Kopie vor. Mit seinem strammen Rechtskurs stieß Wauquiez zudem viele Sozialgaullisten um Ex-Premier Alain Juppé (73) vor den Kopf. Ein Gutteil von ihnen ist seit 2017 ins Macron-Lager übergelaufen. Und die Absetzbewegung hält an: Am Montag rief der frühere Republikaner und heutige Macron-Minister Sébastien Lecornu seine früheren Parteifreunde auf, ihm ins Lager des parteilosen Staatschefs zu folgen.

Möglich wird damit auch eine Spaltung der Gaullisten. Während der liberale Parteiflügel zu Macron abwandert, sucht die Rechte verzweifelt einen "patriotischen Schulterschluss". Das empfahl am Sonntag Le Pens Nichte Marion Maréchal. Sie meinte, die konservativen Kräfte müssten sich über die Parteigrenzen zusammenschließen, da sie nur im Verbund siegen könnten. Eine Allianz mit den Lepenisten, unter denen Anhänger von Vichy-Frankreich im Zweiten Weltkrieg waren, kommt aber für die im Nazi-Widerstand tätigen Gaullisten bis heute nicht in Frage.

Die Republikaner bleiben damit zwischen den Stühlen und drohen je nachdem, ob sie sie unter einer neuen Führung eher nach rechts oder ins Zentrum bewegen, von den Lepenisten oder Macronisten geschluckt zu werden. Ändern könnte dies nur eine einigende Führungsfigur – aber die ist nach dem Debakel ihres Präsidentschaftskandidaten François Fillon 2017 nicht in Sicht. Pariser Medien und Kommentatoren schließen denn nicht mehr aus, dass die Bürgerlichen in Frankreich bald ganz von der politischen Bildfläche verschwinden könnten.

Linke strauchelt ebenfalls

Die französische Linke verfolgt die Entwicklung mit gemischten Gefühlen. Eigentlich könnte sie vom Einbruch der Republikaner profitieren: Wenn Macron zunehmend Zulauf von liberaler Seite erhält, dürften einige Sozialisten, Protestwähler und "Gelbwesten" Macron den Rücken kehren und zu den angestammten Linksparteien zurückkehren.

Der Rücktritt der deutschen Genossin Andrea Nahles gibt den französischen Sozialisten allerdings zu denken: Die SPD-Chefin musste den Hut nehmen, obwohl ihre Partei bei den Europawahlen mit 15,8 Prozent mehr als doppelt so viele Stimmen erzielt hatte als die Wahlplattform aus Sozialisten und Place Publique (6,2 Prozent). Parteichef Olivier Faure muss nur deshalb nicht abdanken, weil er in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt ist.

In der Linkspartei von Jean-Luc Mélenchon, die mit 6,3 Prozent eingebrochen ist, wogt die interne Debatte über den bisherigen Solokurs. Wie die Republikaner auf der Rechten müssen sich die angestammten Linksformationen nun fast auf den Bittgang zu den Grünen von Yannik Jadot begeben, die mit 13,5 Prozent überraschend stark abgeschnitten hatten. Allein, die "neuen" Parteien um Macron, Le Pen und Jadot wollen von den französischen Altparteien meist gar nichts mehr hören. (Stefan Brändle aus Paris, 3.6.2019)