Es war kein alltäglicher Anblick, der sich den Anwesenden vor Facebooks Zentrale in New York (das Hauptquartier steht im kalifornischen Menlo Park) darbot. Über hundert Menschen lagen und standen auf der Straße. Sie waren nackt und sie hielten Schilder hoch, die übergroße Brustwarzen abbildeten.

"#Wethenipple" nannte sich dieser Protest der besonderen Art, "Wir, der Nippel". Wenngleich manche der Demonstranten Frauen waren, zeigten ihre Tafeln technisch gesehen allesamt männliche Brustwarzen. Diese waren fotografisch von bekannten Persönlichkeiten "gespendet" worden, darunter etwa Schauspieler Adam Goldberg und Chad Smith, Drummer der Red Hot Chili Peppers, wie der "Guardian" zu berichten weiß.

Offener Brief gegen Zensur

Als Organisatoren traten der Nacktfotograf Spencer Tunick und die National Coalition Against Censorship (NCAC) auf. Dazu gab es einen offenen Brief von 250 Aktivisten, Museen und Organisationen an Facebook. Man forderte die Lockerung der Regeln auf der Seite, um zumindest ein gewisses Maß an Nacktheit im künstlerischen Sinne zeigen zu können – wie es etwa Youtube tut.

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Foto: Getty Images

Facebooks rigider Umgang mit dem Thema sorgt seit Jahren immer wieder für Irritationen. Auf der Plattform und der im Konzernbesitz befindlichen Fotoplattform Instagram werden weibliche Brüste und Nacktheit generell fast vollständig zensiert. Mitunter schlägt die automatische Erkennung auch über die Stränge und entfernt Bilder von Hundewelpen, die das System mit einem Penis verwechselte. Auch historische Fotos waren ihm schon zum Opfer gefallen und erst nach öffentlicher Aufregung im Nachhinein doch freigegeben worden.

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Vereinzelte Ausnahmen gibt es, etwa für die Abbildung von Protestaktionen, stillender Mütter oder der Dokumentation von Brustkrebs-Operationen. In den Augen der Kritiker ist das zu wenig. Um auf die teils eigenwilligen Regelungen aufmerksam zu machen, posteten manche unter anderem auch schon entblößte weibliche Brüste, auf die man allerdings per Bildbearbeitung "männliche" Nippel gesetzt hatte, zumal Männer sich auf den Plattformen problemlos mit freiem Oberkörper zeigen können.

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Erschwernisse für Künstler

Tunick und die NCAC erklären, dass Facebooks Regeln es Künstlern verunmöglicht, ihre Arbeit zu teilen. Betreffen würde dies vor allem auch queere Artisten. Und Museen müssten Vorsicht walten lassen, wenn sie Ausstellungen bewerben, in denen Nacktheit zu sehen ist. Jede zensierte Brustwarze würde zur Sexualisierung von Werken beitragen, die gar nicht unbedingt in sexuellem Kontext stehen. Er selbst sei als Künstler des 21. Jahrhunderts auf Instagram angewiesen.

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Während Facebook bislang keine Äußerung zu der ungewöhnlichen Demo abgegeben hat, soll es bisher zumindest keine Zensur hinsichtlich der Aufnahmen vom Protest gegeben haben. Tunick kämpft bereits seit Jahren gegen Facebooks Richtlinien an und hat dafür auch durchaus persönliche Gründe. Denn 2014 schlug die Zensur bei ihm zu und löschte seine Seite wegen "anstößiger" Inhalte.

Es ist freilich nicht der einzige Protest gegen solche Regeln auf sozialen Medien. Auch andere Plattformen gehen oft rigide mit Nacktheit um und werden dafür kritisiert. Im deutschen Sprachraum wendet sich etwa die feministische Autorin und Künstlerin Sarah Süßmilch gegen derlei Reglements, in Wort, Bild und bei Veranstaltungen. (red, 4.6.2019)