"Ich kann das besser": Philipp Budiman gründete 2012 seinen eigenen Onlineshop für Luxusuhren.

Foto: Montredo

STANDARD: Wie kommt ein Digital Native wie Sie zur Haute Horlogerie?

Philipp Budiman: Ich war schon immer ein Uhrenfreak, bin aber auch erblich vorbelastet: Die chinesische Seite meiner Verwandtschaft ist von Luxusuhren begeistert. Grundsätzlich glaube ich, dass viele Menschen Uhren extrem faszinierend finden – die Mechanik, was dahintersteckt. Es ist ein "nerdiges" Thema, das vor allem Männer anspricht.

STANDARD: Aber auch junge Leute?

Budiman: Wir haben in Berlin das Glück, dass Menschen für uns arbeiten, die sich sowohl für das Digitale als auch für Uhren begeistern können. Die Leute gibt es also. Sie haben von Haus aus ein anderes Verständnis davon, wie man heute Uhren kauft und verkauft.

STANDARD: Haben Sie aus diesem Verständnis heraus Montredo gegründet?

Budiman: 2012, im Gründungsjahr von Montredo, gab's kaum einschlägige Websites – und wenn, dann waren sie schlecht designt, unübersichtlich und meist unseriös. Da wusste ich: Ich kann das besser. Außerdem fand ich es schon immer unangenehm, zu einem klassischen Konzessionär zu gehen, wo man an einem Security-Mann vorbei muss etc. Ich habe mich in solchen Boutiquen nie wohlgefühlt, weil ich schon rein optisch nicht in das Schema "klassischer Uhrenkäufer" passe. Das ganze Drumherum beim Konzessionär – mit Prosecco-Trinken und dem ganzen Hin und Her – war nie meins.

STANDARD: Hat die Uhrenindustrie den E-Commerce verschlafen?

Budiman: Absolut. Ich kann mich noch an meine erste Uhrenmesse in Basel erinnern, 2012, da wollte niemand mit mir sprechen, E-Commerce war tabu. Grundtenor: E-Commerce und Luxus lassen sich nicht vereinen. Denn es hieß oder heißt für die Hersteller: Auf eine Luxusuhr muss man warten – je begehrter das Modell, desto länger. Was den Kauf erschwert und auf der anderen Seite nicht zum "schnellen" E-Commerce passt.

STANDARD: Spüren Sie eine Veränderung?

Budiman: Es hat sich radikal gewandelt. Wenn ich jetzt auf der Baselworld oder in Genf auf dem SIHH bin, finden Gespräche auf Augenhöhe statt. Man nimmt uns ernst und geht ganz anders auf uns zu. Jetzt haben es die meisten begriffen. Der Onlinehandel hat nun einen Marktanteil von rund zehn Prozent. Mittelfristig rechnet man mit bis zu 30 Prozent.

STANDARD: Dennoch: Fehlt da nicht das Touch-and-Feel-Erlebnis?

Budiman: Dafür gibt es das 30-tägige Rückgaberecht. Das heißt, der Kunde kann sich die Uhr zu Hause in aller Ruhe ansehen, er kann sich vorab über die Uhr informieren, sich Videos ansehen. Es bleibt, auch wenn man eine Uhr online bestellt, eine hoch emotionale Angelegenheit.

STANDARD: Hat Montredo Uhren auf Lager oder kommt die Ware direkt von den Konzessionären?

Budiman: Auf Lager liegen bei uns nur die sogenannten Schnelldreher.

STANDARD: Was kann man sich darunter vorstellen?

Budiman: Das sind Uhren, die sich besonders gut verkaufen, zum Beispiel die Omega Speedmaster. Hier geht es vor allem darum, die hohe Nachfrage bedienen zu können, also mit dem Liefern nachzukommen.

STANDARD: Und woher kommt der Rest?

Budiman: Den bekommen wir von Konzessionären. Das sind mittlerweile einige hundert, die bei uns angeschlossen sind. Manche Modelle bekommen wir auch direkt vom Hersteller. Für uns ist wichtig, dass wir die Herkunft der Uhr genau verfolgen können.

STANDARD: Gab es Anfeindungen vonseiten des Handels?

Budiman: Vielleicht sind manche Konzessionäre im Laufe der Jahre etwas träge geworden, mit innovativen Konzepten haben sich nur wenige hervorgetan. Die digitale Entwicklung wurde, wie in anderen Branchen auch, nicht ernst genommen. Montredo deswegen zu verteufeln würde zu kurz greifen und wäre nicht gerechtfertigt. Vielmehr hätte ich als Konzessionär ein Problem damit, dass Marken, die sich in meinem Sortiment befinden, in unmittelbarer Shopumgebung Monobrand-Boutiquen eröffnen und so in direkten Wettbewerb mit mir treten. Wir sehen uns als Partner des Handels, der über uns auch online Umsätze erzielen kann.

STANDARD: Welchen Marken arbeiten mit Ihnen zusammen?

Budiman: Das unterliegt der Geheimhaltung. Ich denke, dass das Thema ohnehin viel zu hysterisch behandelt wird. Sobald eine Marke mit einer Plattform offiziell zusammenarbeitet, gibt's ein Tamtam. Für uns ist das sekundär, wir müssen uns nicht dafür feiern lassen, wenn wir wieder eine neue Marke als Partner haben.

STANDARD: Sie sprechen die Sache mit Nomos, Wempe und Chrono24 bzw. Chronext an (siehe Artikel "Die Angst der Uhrenbranche vor dem Onlinehandel")?

Budiman: Ja.

STANDARD: Was macht Montredo anders als Chronext?

Budiman: Wir bieten mehr Content an, der Uhrenliebhaber anspricht. Wir haben ein eigenes Magazin, Videos etc., die von absoluten Uhrenfans erstellt werden. Das sind leidenschaftliche Menschen. Die Marken honorieren das und arbeiten mit uns auf der Content-Ebene zusammen – siehe Videos mit diversen Uhren-CEOs ...

STANDARD: Trotz der Preispolitik von Montredo? Es werden ja immerhin zwanzig Prozent Rabatt versprochen ...

Budiman: Genau. Trotzdem.

STANDARD: Verdient man damit noch etwas?

Budiman: Wir bieten Uhren auch zum Verkaufspreis an. Es gibt aber auch welche, die extrem rabattiert sind, alte Lageruhren zum Beispiel, die auch für minus 50 Prozent weggehen.

STANDARD: Womit wir auch bei einem heiklen Thema sind: hohe Lagerbestände, die den Graumarkt befeuern.

Budiman: Die Uhrenbranche hat die Händler jahrelang gedrängt, mehr Uhren, als sie benötigen, abzunehmen: Für ein attraktives Modell musste der Händler zehn unattraktive Modelle mitübernehmen. Der Juwelier konnte kaum etwas dagegen tun – wollte er die Konzession behalten, musste er die Uhren auf Lager legen. So hatten manche Konzessionäre 300 bis 500 Uhren auf Lager, die vor allem Kapital gebunden haben. Klar versucht der Händler dann mit allen Mitteln, die Uhren wieder loszuwerden. Damit hat manche Marke den Graumarkt angeheizt.

STANDARD: Sind gebrauchte Uhren auch ein Thema?

Budiman: Nein. Für den Gebrauchtuhrenmarkt wird zum Beispiel eine ganz andere Logistik gebraucht, auch das Marketing unterscheidet sich. Kurz: Es ist komplizierter.

STANDARD: Gibt es Expansionspläne in Richtung USA oder China?

Budiman: Nein, wir bleiben lieber der große Fisch im kleinen Teich.

STANDARD: Ihre Traumuhr?

Budiman: Ich weiß, das ist jetzt nicht sonderlich originell: eine Nautilus 5711 von Patek Philippe. Die will jeder haben.

STANDARD: Wie lange beträgt die Wartezeit dafür?

Budiman: Zehn Jahre. Wenn man das Glück hat, überhaupt auf die Warteliste zu kommen. Ich versuche sie natürlich früher zu bekommen. Wenn mir die Nautilus morgen angeboten wird, schlag ich sofort zu. Denn ich weiß, dass ich sie am nächsten Tag ums Doppelte verkaufen könnte. Das alleine ist irre genug. (Markus Böhm, RONDO, 13.8.2019)