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Foto: AP / Khalid Mohammed

Barbarei nicht mit Barbarei vergelten": Mit diesem Argument mobilisieren 44 Pariser Juristen in einem offenen Brief für das Überleben und wenn möglich die Rückführung verhafteter Jihadisten im Irak. Elf französische Vertreter der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) sind in den letzten Tagen von der irakischen Justiz zum Tode verurteilt worden. Das Verdikt wird im Irak normalerweise durch Aufhängen vollstreckt.

Und diese Urteile könnten erst der Beginn sein. Insgesamt 450 Franzosen sollen laut Pariser Geheimdienst in irakischer Haft oder in kurdischen Gefängnissen in Syrien einsitzen. Präsident Emmanuel Macron hat schon vor Monaten grundsätzlich entschieden, dass die IS-Täter vor Ort abgeurteilt werden sollten, sofern dort rechtsstaatliche Prinzipien eingehalten würden. Seinen Juristen zufolge soll dies im Irak der Fall sein. Die Kurden können ein rechtsstaatliches Verfahren hingegen nicht gewähren.

Was den Irak betrifft, räumte Außenminister Jean-Yves Le Drian ein, dass die Todesstrafe angewendet werde. Die Anti-Terror-Prozesse seien aber öffentlich, wobei ein Richter von zwei Magistraten und notfalls einem Übersetzer sekundiert werde. Jeder Angeklagte habe einen Anwalt und nach der Verlesung der Anklageschrift das Recht, sich zu äußern.

Eilverfahren in einer Stunde

Das Pariser Anwaltskollektiv erklärt dagegen, die Todesurteile würden in Eilverfahren von bloß einer Stunde gefällt. Die Pflichtanwälte erhielten das Dossier erst unmittelbar vor Prozessbeginn und hätten die Angeklagten zuvor nie getroffen. Eine solche Justizmaskerade könne nur aus teilweise Reumütigen spätere Märtyrer machen, argumentieren die Anwälte. Zudem vergäben die französischen Geheimdienste und Ermittler jede Chance, wertvollen Einblick in die Motive und Kontakte dieser IS-Kämpfer zu erhalten.

Unter den zum Tod Verurteilten befinden sich sehr unterschiedliche Typen von Jihadisten. Einer gehörte der berüchtigten Brigade Tariq ibn Ziyad an, ein anderer verhängte als IS-Richter Körperstrafen und Hinrichtungen. Ein Dritter behauptete, er habe nur seinen kleinen Bruder aus Syrien zurückholen wollen. Ein französischer Konvertit, der in Frankreich Häftlinge radikalisiert hatte, will nie eine Waffe getragen haben.

Großteils Reue und Bedauern

Einige Verurteilte drückten Reue oder Bedauern aus, nur wenige bekräftigten ihren Treueschwur für den IS.

Die französische Öffentlichkeit ist laut Umfragen mehrheitlich gegen die Rückkehr der Jihadisten. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch wirft der Regierung in Paris aber vor, sie betreibe bewusst die "Auslagerung" der Prozesse und spreche sich mit den Machthabern vor Ort ab. So habe Paris veranlasst, dass die Kurden mehrere Angeklagte an die Iraker aushändigten, wo zumindest dem Schein nach ein Justizapparat bestehe.

"Gute Bedingungen" im Irak

Die Pariser Regierungssprecherin Sibeth Ndiaye entgegnete am Wochenende, die Prozesse würden im Irak "unter guten Bedingungen" abgewickelt und respektierten die Rechte der Verteidigung. "Die Franzosen, die ihr Land verlassen haben, um die Waffen gegen ihr Land zu ergreifen und Terrorakte zu begehen – denn man muss die Dinge beim Namen nennen -, haben wie alle ein Recht auf konsularischen Schutz", meinte die Macron-Vertraute. "Sie werden von unserer Botschaft betreut, um eine gute Kenntnis des irakischen Rechts zu haben."

Ndiaye betonte aber auch, Frankreich sei grundsätzlich gegen die Todesstrafe und würde eine Umwandlung in lebenslange Haftstrafen vorziehen.

Bisher ist im Irak noch kein Franzose hingerichtet worden. Charles Brisard vom französischen Zentrum für Terrorismusanalysen hält es für "wahrscheinlich", dass Paris genug Einfluss habe, um die Umwandlung der Todesurteile in lebenslange Haftstrafen zu erwirken. (Stefan Brändle aus Paris, 5.6.2019)