Vom Sozialisten zum überzeugten Liberalen: Mario Vargas Llosa

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Mario Vargas Llosa ist keiner, der danach trachtet, es allen recht zu machen. Seit seinen literarischen Anfängen in den 1960er-Jahren gilt der 1936 geborene Peruaner als streitbar, aber auch als einer, der seine Argumente entschlossen, luzide und scharf vorbringt. Auch wenn es um Politik geht. Gerade die frühen Werke dieses Autors – Das grüne Haus (1966) und Die Stadt der Hunde (1963) – haben durch ihren genauen Blick auf gesellschaftliche Machtgefüge und das Elend der Deklassierten nichts von ihrer Dringlichkeit verloren.

2010 wurde der Schriftsteller, der in Paris, Madrid und London lebte, mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet: Für "seine Kartografie der Machtstrukturen und scharfkantigen Bilder individuellen Widerstands, des Aufruhrs und der Niederlage", wie es in der Laudatio heißt. Das umfangreiche Werk Vargas Llosas, der 1990 in Peru für die Demokratische Front für das Präsidentenamt kandidierte (er verlor gegen Alberto Fujimori), besteht auch aus einigen lesenswerten autobiografischen Schriften.

Lesen und leben

Etwa seinen 1993 erschienenen Erinnerungen Der Fisch im Wasser oder dem schmalen Band Wie man Romane schreibt, der vom Lesen, Leben und Schreiben handelt. Es gibt also Gründe genug, sich auf die Lektüre seines neuen Buches Der Ruf der Horde zu freuen, immerhin stellt dessen Untertitel "eine intellektuelle Autobiografie" in Aussicht, was sich als etwas gar vollmundiges Versprechen entpuppt.

Zwar schildert Vargas Llosa in einem Einleitungskapitel den radikalen Wandel seiner politischen Ansichten von einer sozialistischen zu einer radikal liberalen Position, was schon in Der Fisch im Wasser nachzulesen war. In sieben weiteren Kapiteln setzt sich der Nobelpreisträger dann mit Leben und Werk einiger Heroen des historischen Liberalismus auseinander. Zum Beispiel mit Adam Smith oder Ortega y Gasset. Natürlich fehlen auch die gebürtigen Wiener Friedrich von Hayek und Vargas Llosas Säulenheiliger Karl Popper nicht. Interessant zu lesen ist auch das Kapitel über den französischen Journalisten und Essayisten Jean-François Revel (1924-2016).

Überhöhungen

Der Ruf der Horde ist ein gelehrtes, elegant geschriebenes und von Thomas Brovot fein übersetztes Buch für alle, die sich mit liberalen Ideen auseinandersetzen wollen. Es ist aber durch seine distanzlose Verehrung Ronald Reagans und vor allem Margaret Thatchers auch ein irritierendes Buch geworden. Zuweilen beschleicht einen das Gefühl, dass der Autor den Liberalismus ebenso ideologisch überhöht, wie er es einst mit dem Sozialismus tat.

Vargas Llosa ist ein Mann der Worte, zuweilen auch der großen Worte. Etwa wenn er Isaiah Berlin zu Recht als weise, bescheiden und großen Liberalen preist, um weiter anzufügen: "Das macht uns natürlich stolz: uns, die wir glauben, dass die liberale Lehre für die demokratische Kultur schlechthin steht – für Toleranz, Pluralismus, die Menschenrechte, für individuelle Souveränität und Legalität -, dass sie die Fahne der Zivilisation hochhält."
(Stefan Gmünder, 6.6.2019)