Das bunt beleuchtete Rathaus samt Bühne beim Life Ball 2018.
Foto: APA/AFP/ALEX HALADA

Nach dem Life Ball am 8. Juni 2019 im Wiener Rathaus soll es keinen weiteren geben. Das hat zumindest Organisator und Event-Begründer Gery Keszler vor wenigen Wochen verkündet. Die Charity-Veranstaltung für die Aidshilfe sei nicht mehr finanzierbar. Seitens der Stadt Wien gibt man sich gesprächsbereit und "sehr bemüht " um eine Weiterführung. Das letzte Wort scheint hier also noch nicht gesprochen zu sein. Klar ist: Schon seit Jahren wird die Veranstaltung von der Kritik begleitet, bei allem Glamour und Staraufgebot trete das eigentliche Thema in den Hintergrund.

Life-Ball-Gäste auf dem Rathausplatz 2017.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Der Life Ball als Event

Als der Life Ball in einer opulenten Inszenierung sein 20-jähriges Bestehen feierte, stellte der damalige Wiener Stadtchef Michael Häupl fest: "Nur Spaß ist dieser Event nicht." Das war im Mai 2012, unter anderen standen Stars wie Milla Jovovich, Antonio Banderas und Naomi Campbell auf der Gästeliste, die Best-of-Modenschau zog sich in die Länge, und der VIP-Bereich war zuungunsten der öffentlichen Plätze auf dem Rathausplatz vergrößert worden. Der ernste Hintergrund des Events drohte in die Ferne zu rücken.

Gery Keszler hatte mit dem Life Ball einen Event geschaffen, dessen Inszenierung sich Jahr um Jahr selbst aufs Neue übertraf. Promis wie Elton John, Katy Perry, Uma Thurman, Kate Winslet und viele mehr kamen Jahr um Jahr wie selbstverständlich, klingende Namen wie Jean Paul Gaultier oder Paco Rabanne gestalteten Modenschauen. Am Samstag soll nun der womöglich letzte Life Ball unter dem Motto "United in Diversity" im verspielten Zirkusstil mit Artisten und Clowns stattfinden.

Dabei begann 1992 alles als Szene-Event. Damals gründete Keszler mit seinem HIV-infizierten Freund Torgom Petrosian den Verein Aids Life. Ein Jahr später ging der erste Ball am 29. Mai 1993 über die Bühne. Der damalige Bürgermeister Helmut Zilk holte die Aids-Gala ins Rathaus. Und schon damals war die Gästeliste gespickt mit Promis, Helena Christensen und Vivienne Westwood etwa waren nach Wien gereist, lokale Stars wie Alfons Haider, der den Beginn des Balls als "schwulen Aufschrei" bezeichnete, waren ebenso vertreten. Der Hype war geboren, die Karten waren fortan binnen Minuten ausverkauft.

Das erste Minijubiläum, die Nummer fünf, wurde 1997 zum Großevent. Vivienne Westwood kehrte zurück und richtete die Modenschau aus, zu Mitternacht spielte Falco im Rathaus auf. 2015 wurde es besonders emotional: Keszler erklärte völlig unerwartet, er habe sich vor Jahren mit dem HIV-Virus infiziert. Und: Er wolle ein Jahr Pause einlegen, um die Botschaft des Großevents wieder ins Zentrum zu stellen. 2017 tummelten sich wieder die Stars auf dem roten Teppich. Nun droht das tatsächliche Aus.

Jean Paul Gaultier bei seiner Modenschau 1995.
Foto: Regine Hendrich

Der ernste Hintergrund

Knapp 30 Millionen Euro Spenden für nationale und internationale Hilfsprojekte konnte der Life Ball eigenen Angaben zufolge in den 26 Jahren seines Bestehens lukrieren. Damit ist der Charity-Event die größte Benefizveranstaltung Europas zugunsten HIV-infizierter und an Aids erkrankter Menschen. Laut der Wiener Aidshilfe fehlen der Organisation bei einem Aus bis zu 200.000 Euro an Spendengeldern pro Jahr. Das Geld wurde dafür eingesetzt, in Not geratene HIV-Patienten zu unterstützen und Therapielücken zu schließen.

Die Stadt Wien, die den Life Ball im Jahr 2019 mit rund 900.000 Euro unterstützt hat, gibt Entwarnung. Unabhängig vom Ball verfüge die Stadt im Bereich HIV/Aids über ein "dichtes Netz von der Prävention über die psychosoziale Unterstützung und Antidiskriminierungsarbeit bis hin zur spitzenmedizinischen Versorgung", heißt es aus dem Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Geld gebe es auch vom Bund. Sollte es durch ein Life-Ball-Aus zu finanziellen Engpässen kommen, "wäre also auch das Gesundheitsministerium gefordert". Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hatte bereits angekündigt, den Life Ball erhalten zu wollen. Eventuell mit anderen Personen an der Spitze der Organisation.

"Wir werden weiterhin leidenschaftlich gegen Stigma und Ausgrenzung aufstehen und Flagge zeigen", sagte Organisator Gery Keszler in der Pressekonferenz für den womöglich letzten Life Ball. Die Bilder, die von dem Charity-Event um die Welt gehen, zeigen die Stars und die schrillsten Kostüme. Aber auch auf dem Partygelände selbst findet Bewusstseinsbildung statt – oder es wird zumindest versucht. So bietet die Aids-Hilfe Gratis-HIV-Tests an. Voriges Jahr nahmen rund 30 Personen das Angebot inklusive Beratung in Anspruch. Heuer wird es diese Teststation wieder geben sowie zusätzlich Hepatitis-C-Tests.

Das erklärte Ziel des Balls, Aids bis 2030 auszurotten, scheint der Organisation mit "verstärkter Anstrengung" erreichbar. Rund 36,7 Millionen Menschen sind weltweit infiziert. In Österreich gibt es im Schnitt täglich ein bis zwei Neudiagnosen. (Oona Kroisleitner, Gudrun Springer, 6.6.2019)