Die EU-Whistleblower-Richtlinie, die in Kürze in Kraft tritt, soll bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht Hinweisgeber vor Repressalien schützen.

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Die EU-Whistleblower-Richtlinie, die in Kürze in Kraft tritt und dann innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden muss, soll bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht Hinweisgeber vor Repressalien schützen. Ihr Ziel ist vor allem, Betrug und Korruption aufzudecken sowie die unzureichende Durchsetzung von Vergabevorschriften für öffentliche Aufträge zu verhindern.

Eine der Maßnahmen, die die Richtlinie verlangt, ist die Einrichtung interner Meldekanäle und die Einführung von Verfahren für Meldungen und Folgemaßnahmen. Diese Verpflichtung trifft private und öffentliche Einrichtungen ab mindestens 50 Beschäftigten. Die Richtlinie verlangt nur, dass die Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers gewahrt bleibt. Ansonsten enthält sie zur Art des Meldesystems keine Vorgaben.

Bisher ist die Richtlinie vor allem aus Sicht des Datenschutzes und Compliance-Vorgaben beachtet worden. Doch bei der Umsetzung in österreichisches Recht kommt auch das Arbeitsverfassungsrecht ins Spiel – genauer die Mitwirkungsbefugnis des Betriebsrats:

Die Einführung von Kontrollsystemen, die die Menschenwürde berühren, unterliegen nämlich zwingend der Mitwirkung des Betriebsrats. Derartige Systeme dürfen nur eingeführt und aufrechterhalten werden, wenn und solange sie in einer Betriebsvereinbarung vorgesehen sind. Wird diese vom Betriebsrat gekündigt, fällt die Rechtsgrundlage weg und das Kontrollsystem darf nicht weiter eingesetzt werden. Eine Möglichkeit, die Zustimmung des Betriebsrates zu einer derartigen Betriebsvereinbarung zu erzwingen, gibt es nicht.

Ständige Wachsamkeit

Schon bisher war anerkannt, dass Whistleblower-Systeme die Menschenwürde berühren und daher mitwirkungspflichtig sein können. Das wäre jedenfalls der Fall, wenn Mitarbeiter zu ständiger Wachsamkeit und zur Meldung jedes Verdachtsmoments aufgefordert werden. Die Erwägungsgründe zur Richtlinie verdeutlichen, dass diese von internen Meldekanälen eine hohe Wirksamkeit für Whistleblower-Systeme erwartet und viel Wert auf den Hinweisgeberschutz legt.

Bei einer richtlinienkonformen Einführung dieser Maßnahmen in Betrieben wird kaum auszuschließen sein, dass die Menschenwürde berührt sein kann, wenn ein Whistleblower-System zumindest abstrakt geeignet ist, ein System ständiger Bespitzelung zu fördern.

Die Richtlinie erkennt an, dass die Einzelstaaten vorsehen können, dass mit Sozialpartnern über die Einführung interner Meldekanäle und Verfahren für Meldungen und Folgemaßnahmen Rücksprache gehalten und Einvernehmen hergestellt werden muss. Zugleich verlangt sie von den Staaten aber, dass sie die Einführung dieser Systeme sicherstellen.

Für das österreichische Recht ergibt sich das Dilemma, dass bei geltender Rechtslage der Betriebsrat die Einführung von Meldekanälen und von Verfahren für Meldungen und Folgemaßnahmen, wenn sie die Menschenwürde berühren, dauerhaft verhindern kann. Die von der Richtlinie geforderte Sicherstellung wäre daher nicht in jedem Fall gewährleistet.

Es bleibt abzuwarten, wie der Gesetzgeber dies bei der Umsetzung löst. Als Ansatz kommt in Betracht, dass die fehlende Zustimmung des Betriebsrats durch eine Behörde ersetzt wird. Schon jetzt gibt es Fallkonstellationen, in denen entweder das Arbeitsgericht oder eine Schlichtungsstelle dazu berufen ist. (Kurt Wratzfeld, 7.6.2019)