Auch wenn sie von ihren Mitarbeitern nur fallweise Erreichbarkeit in geringerem Ausmaß erwarten, ist eine explizite Regelung über die Entlohnung der Rufbereitschaft anzuraten.

Foto: Protina Pharmazeutische GmbH / Frank Boxler

Immer erreichbar, nie abschalten: Dieses Los nehmen nicht nur Führungskräfte als notwendiges Übel ihres Arbeitsplatzes in Kauf. Eine neue OGH-Entscheidung (25. 1. 2019, 8 ObA 61/18f) lässt aufhorchen. Die telefonische Erreichbarkeit kann zu hohen Entgeltforderungen führen. Vertragliche Vorsorge kann Unternehmen schützen.

Der Fall war insofern extrem, als Sicherheitsfachkräfte mit militärischer Spezialausbildung betroffen waren, die so gut wie nie ganz frei hatten. Schon bei der Rekrutierung machte man auch dem Kläger klar: Er muss ständig erreichbar sein, es gehe um Menschenleben. Im Fall eines Terroranschlags müsse mit jedem Sicherheitsmann Kontakt aufgenommen werden können.

Das Diensthandy musste immer aufgeladen sein, durfte nicht lautlos geschaltet sein, die Mitarbeiter mussten regelmäßig darauf schauen. Wer in der Freizeit z. B. joggen wollte, musste das der Sicherheitszentrale melden. Tage ohne Rufbereitschaft waren nur mit vorheriger Erlaubnis möglich. An 30 bis 40 Tagen pro Jahr war jeglicher Alkoholkonsum in der Freizeit verboten.

Tatsächlich wurde der Kläger fünf- bis siebenmal pro Monat in der Freizeit angerufen, wirklich zur Arbeit kommen musste er aber nur bis zu achtmal jährlich.

Kein Wort übers Geld

Dem Unternehmen wurde zum Verhängnis, dass über finanzielle Aspekte der Rufbereitschaft nicht gesprochen worden war. Man vereinbarte bloß ein Monatsgehalt von knapp 3000 Euro brutto; Kollektivvertrag war keiner anwendbar.

In seiner Klage begehrte der Kläger mehr als 26.000 Euro für seine Rufbereitschaften in den Jahren 2013 bis 2015. Er rechnete mit 24 Stunden pro Tag bei einer Siebentagewoche; für Zeiten des Schlafes zog er sieben Stunden täglich ab (die Normalarbeitszeit auch). Pro Stunde setzte er drei Euro an.

Zumindest dem Grunde nach bekam der Kläger recht: Weil er ständig erreichbar und zum Arbeitsantritt bereit sein musste, lag unzweifelhaft Rufbereitschaft vor. Sie ist nicht schon aufgrund der Treuepflicht geschuldet, sondern muss – wie hier – ausdrücklich vereinbart werden.

Wer rufbereit sein muss – dazu zählt der OGH explizit auch die "Erreichbarkeit per Handy" -, kann seinen Aufenthaltsort nicht frei wählen, sodass sein Freizeitverhalten eingeschränkt ist: Der Arbeitnehmer muss an einem Ort mit Mobilnetz bleiben und sich geistig und körperlich einsatzbereit halten. Irrelevant ist, ob oder wie häufig die Arbeitsleistung tatsächlich abgerufen wird; es ist die Einschränkung des Freizeitwerts, die zählt. Daher ist Rufbereitschaft grundsätzlich zu entlohnen.

Wenn – wie im vorliegenden Fall – über die Abgeltung der Rufbereitschaft nichts vereinbart wird, gebührt ein angemessenes Entgelt. Über die Höhe einer solchen marktüblichen Entschädigung muss noch entschieden werden. Mit drei Euro lag der Kläger aber ohnehin im mittleren Bereich – der IT-Kollektivvertrag veranschlagt für Rufbereitschaft 4,33 Euro pro Stunde, jener der Caritas zwischen zwei und drei Euro.

Explizite Regelung

Was können andere Unternehmen daraus lernen? Auch wenn sie von ihren Mitarbeitern nur fallweise Erreichbarkeit in geringerem Ausmaß erwarten, ist eine explizite Regelung über die Entlohnung der Rufbereitschaft anzuraten.

Man könnte einen Teil aus dem Gehalt herausschälen und als Abgeltung für Rufbereitschaften widmen, sofern das Gehalt über dem Kollektivvertrag liegt; andernfalls eine pauschale Zulage gewähren. Dabei kann ein geringerer Stundensatz als der "angemessene" vereinbart werden; auf marktkonforme Stundensätze wird ja nur in Ermangelung einer Vereinbarung zurückgegriffen.

Von der Entlohnung abgesehen sind die gesetzlichen Grenzen einzuhalten: Sowohl Arbeitszeit- als auch Arbeitsruhegesetz beschränken die Rufbereitschaft auf grundsätzlich maximal zehn Tage pro Monat bzw. zwei wöchentliche Ruhezeiten pro Monat.

Wer von seinen Mitarbeitern gar keine Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeiten erwartet, sollte das vor allem dann, wenn sie Diensthandys und Firmenlaptops in der Freizeit nutzen dürfen, explizit festhalten – und tatsächlich leben. (Kristina Silberbauer, 6.6.2019)