Die Leiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, Ilse Vrabl-Sanda, hat am Donnerstag eingeräumt, dass bei den Ermittlungen nicht alles rund lief.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Herbert Kickl will nun den Ex-Generalsekretär im Justizministerium, Christian Pilnacek, anzeigen.

Foto: APA/LUKAS HUTER

Wien – Die Einstellung der Ermittlungen gegen den Ex-Generalsekretär im Justizministerium, Christian Pilnacek, im Zusammenhang mit der Causa Eurofighter ärgert die FPÖ. Klubobmann Herbert Kickl vermutet Vertuschung durch die Staatsanwaltschaften und kündigt Anzeigen an. Kritik kam auch von SPÖ und Jetzt, die Neos fordern einen unabhängigen Bundesstaatsanwalt.

Die Oberstaatsanwaltschaft Wien wehrt sich gegen Vertuschungsvorwürfe im Fall Pilnacek. Ihr war vorgeworfen worden, den Austausch eines belastenden Tonbandprotokolls gefordert zu haben, bei dem vom Abdrehen von Eurofighter-Ermittlungen die Rede gewesen sein soll.

Verdacht auf Anstiftung zum Amtsmissbrauch

Hintergrund: Pilnacek war wegen des Verdachts der Anstiftung zum Amtsmissbrauch in der Causa Eurofighter von den Staatsanwälten der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft angezeigt worden. Grund waren Aussagen bei einer Dienstbesprechung auch mit der Oberstaatsanwaltschaft Wien zum Stand des Eurofighter-Verfahrens, wovon eine Tonbandaufnahme existiert.

Die Korruptionsstaatsanwaltschaft hatte zwar die Abschrift der Aufzeichnung zum Akt gelegt. Gemäß "ZiB 2" hat die Oberstaatsanwaltschaft, die Pilnacek direkt unterstellt ist, das 33-Seiten-Protokoll aber durch zwei allgemein gehaltene, wenig aussagekräftige Sätze ersetzen lassen wollen.

Versäumnisse festgestellt

Im U-Ausschuss selbst kam bei der Befragung der Leiterin der Korruptionsstaatsanwaltschaft, Ilse Vrabl-Sanda, der aktuelle Konflikt nur indirekt zur Sprache. Wohl aber berichtete sie von Mängeln in den jahrelangen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien, bevor das Verfahren heuer an die WKStA übertragen wurde.

In der "ZiB 2" erklärte sie hingegen, sie sei "noch nie in so eine Zwangslage" versetzt worden, "dass ich von meinen Vorgesetzten eine Vorgabe erhalten habe, die so nicht dem Gesetz entspricht".

"So schnell wie möglich"

Es habe Vorgaben gegeben, "die nicht in einer förmlichen Weisung erklärt wurden", sondern informelle Vorgaben, "die insgesamt bedeutet haben, dass wir die Akten so schnell wie möglich, sehr rasch erledigen müssen – egal auf welche Weise", so die Chefin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Es sei nicht konkret um die Einstellung, sondern um "eine Beendigung" gegangen – "ich möchte sagen, egal wie".

Korruptionsstaatsanwältin Ilse Vrabl-Sanda zur Justizaffäre.
ORF

Zu der Einschätzung, Pilnacek und zwei Oberstaatsanwälte anzuzeigen, sei sie gemeinsam mit vier "erfahrenen Oberstaatsanwälten" wegen des Gesamtbilds gelangt. "Wir sind der Ansicht gewesen, dass es jedenfalls eine Anzeigepflicht gegeben hat."

Dass die Oberstaatsanwaltschaft Wien wiederum fünf Staatsanwälte der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft angezeigt habe, habe sie auch erst jetzt aus den Medien erfahren. Sie rechne damit, dass sie darunter ist, so Vrabl-Sanda: "Weil ich diejenige bin, die hauptverantwortlich für diese Anzeige ist." Sie stehe einer solchen Anzeige aber "grundsätzlich gelassen" gegenüber.

Als Auskunftsperson im Ausschuss konnte sie das so nicht sagen. Haupthindernis war dabei, dass sich der Untersuchungsgegenstand des Ausschusses auf die Zeit bis 2017 beschränkt. Direkte Fragen zu jener Dienstbesprechung mit Justizgeneralsekretär Pilnacek am 1. April 2019, in der dieser vom "Derschlagen" des Verfahrens gesprochen haben soll, konnte Vrabl-Sanda daher nicht beantworten bzw. wurden vom Verfahrensrichter Ronald Roher unterbunden.

Verfahren gegen Pilnacek eingestellt

Die WKStA hatte Pilnacek nach der Dienstbesprechung wegen des Verdachts der Anstiftung zum Amtsmissbrauch angezeigt. Am Mittwoch war die Einstellung dieses Verfahrens bekannt geworden. Immer wieder versuchten auch die Abgeordneten von SPÖ, Neos, Jetzt und auch der ÖVP, Fragen dazu zu stellen. Der Verfahrensrichter unterband das aber immer wieder.

Aushungerungsversuche des Verfahrens vonseiten der vorgesetzten Stellen habe sie nicht wahrgenommen, jedenfalls nicht bis 2017, meinte die Staatsanwältin im Verlauf der Befragung. Jetzt-Abgeordneter Peter Pilz quittierte das mit der lakonischen Antwort: "Das glaub ich, weil das ist erst danach passiert." Er bezeichnete das Aushungern, dann das Drängen auf Abbruch und schließlich das Verfolgen der ermittelnden Beamten als übliche Vorgangsweise bei Versuchen, ein Verfahren abzudrehen. Vrabl-Sanda ließ diese Ausführungen mit stoischer Miene über sich ergehen.

Von Mängeln in der Zeit von 2011 bis Anfang 2019, als das Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Wien ressortierte und allein von Staatsanwalt Michael Radasztics verfolgt wurde, berichtete sie aber sehr wohl. So sei ein "sehr prominenter Lobbyist", gemeint war wohl Alfons Mensdorff-Pouilly, erst Jahre später als Beschuldigter geführt worden. Bezüglich jenes Verfahrensteils, der Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser betrifft, seien wohl Berichtspflichten verletzt worden. "Anhand der Berichte, die ich gefunden habe, kann ich nur sagen, mir hätte das nicht gereicht, um sagen zu können, in welche Richtung das Verfahren geht", sagte Vrabl-Sanda. Generell fehle eine "Konkretisierung der Tathandlungen".

Unübersichtliches Verfahren

Es gebe mehrere Verfahrensstränge, die eigentlich parallel hätten geführt werden sollen, meinte sie bezüglich des umfangreichen und daher sehr unübersichtlichen Verfahrens. Gleich zu Beginn habe man in der WKStA bemerkt, dass es nichterfasste Beschuldigte gebe. Wichtig sei nun zu prüfen, ob nicht schon Verjährungen eingetreten seien.

Auch das Ausmaß der Aktenlage beschrieb sie: Es habe sich um "50 bis 70 Umzugskisten" gehandelt, eine ganze Lastwagenladung, und "etliche Terabyte Daten". In der WKStA sei klar, dass man nicht nur einen Mitarbeiter für solch ein Verfahren einsetzen könne. Die Situation von Radasztics, der großteils allein mit der Causa kämpfen musste, bezeichnete sie als "schwierig, nicht leicht".

Weil jetzt die WKStA übernommen habe und Radaztics nicht mehr zuständig sei, gebe es auch einen "ganz erheblichen Wissensverlust". Zudem werde gegen den Staatsanwalt ja auch ermittelt. "Eine unkontrollierte Übernahme von Hypothesen ist in diesem Fall nicht indiziert", betonte sie. Es sei jedenfalls "ein noch intensiverer Personaleinsatz" notwendig, und sie sei überzeugt, dass die WKStA dafür die entsprechende Unterstützung der Fachaufsicht erhalten werde.

"Nicht berechtigte" Vorwürfe

Radasztics selbst hat sich am Donnerstagnachmittag im Eurofighter-U-Ausschuss gegen die ihn erhobenen Anschuldigen zur Wehr gesetzt. Dass es Mängel im Verfahren gegeben habe, für das er jahrelang zuständig war, sei "nicht berechtigt". Auch Jetzt-Abgeordneter Peter Pilz sprang für ihn in die Bresche und attackierte Pilnacek, der am Freitag geladen ist.

Dem Staatsanwalt wurden Vorwürfe von WKStA-Chefin Vrabl-Sanda vorgehalten, die bei der Dienstbesprechung im Justizministerium am 1. April erhoben wurden. Es mangle an der Dokumentation der Verfahrensschritte, im Stammverfahren könne man nicht zwischen Beschuldigten und Zeugen unterscheiden, es sei eine Verjährungsprüfung notwendig, und die Behauptung, dass Enderledigungen bevorstünden, stimme nicht.

Radasztics wies all das zurück. "Ich glaube, dass der Vorwurf nicht berechtigt ist", sagt er. Er sei überzeugt dass es "keine groben Versäumnisse" gegeben habe. Warum Pilnacek in der fraglichen Besprechung von einem "Scheißakt" gesprochen haben soll, konnte er sich nicht erklären: "Er ist morgen selbst anwesend, er kann vielleicht die Wortwahl eher erklären."

Noch keine Zeit

Die WKStA habe in den zwei Monaten bis zur Dienstbesprechung noch gar nicht die Zeit gehabt, sich in den Akt einzuarbeiten. Außerdem sei es deren Ziel gewesen, mehr Personal zu bekommen, daher die drastische Darstellung, so Radasztics. Weder die Kritik an seiner Vorgangsweise bezüglich dem Lobbyisten Mensdorff-Pouilly ließ er gelten, noch jene bezüglich Ex-Finanzminister Grasser. "Die von mir verfügte Abbrechung war meines Erachtens lege artis", betonte er zu der Beendigung dieses Verfahrens.

Der Staatsanwalt wies auch darauf hin, dass die WKStA erst jetzt den Kontakt zu ihm suche. Kommende Woche sei eine Besprechung mit ihm angesetzt, davor sei nie mit ihm über den umfangreichen Eurofighter-Akt geredet worden.

Pilz versuchte sich für Radasztics einzusetzen. Jene Weisung, wegen der gegen den Staatsanwalt ermittelt werde, sei in Wirklichkeit von Pilnacek selbst der Öffentlichkeit verraten worden, was einen Bruch des Amtsgeheimnisses darstelle. Die zuständige Staatsanwaltschaft Eisenstadt weigere sich aber, hier zu ermitteln.

Radasztics wollte dazu nichts sagen, kritisierte aber, dass bei ihm über drei Monate eine Rufdatenrückerfassung vorgenommen wurde. Jede einzelne Person, mit der er in dieser Zeit telefoniert hatte, sei in der Folge in einem siebenseitigen Schreiben über sämtliche Anschuldigungen gegen ihn informiert worden. Er bezeichnete das als rechtswidrig und "wirklich bedenklich". (APA, 6.6.2019)